Der Anschlag vom 2. November in Wien hat das tödliche Potenzial von Fanatisierungsprozessen in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt. Neben der Gefahr durch islamistisch motivierte Anschläge zeigt sich in den letzten Jahren jedoch auch eine Zunahme an rechtsextremer beziehungsweise rechtsterroristisch motivierter Gewalt. In einem Interview mit der "Washington Post" spricht der Generalsekretär von Interpol, Jürgen Stock, von einer 320-prozentigen Zunahme derselben in Nordamerika, Westeuropa und Ozeanien. Alleine für Westeuropa verzeichnet der „Right-Wing Terrorism and Violence (RTV) Report 2020“ der Universität Oslo 330 Tote durch rechtsextreme Gewalt seit 1990.

Grafik: Daniel Herzog

Anstieg rechtsextremer Gewalt: Das Center for Research on Extremism (C-REX) der Universität Oslo erhebt Fallzahlen zu "schwerwiegenden Formen rechtsgerichteter Gewalttaten und Anschlagspläne" ("severe forms of right-wing violent attacks and plots") in Westeuropa. Eigene Auswertung auf Basis des C-REX-Datensatzes.

Ortsnamen wie Utøya, Christchurch, El Paso oder Hanau wurden zu Synonymen rechten Terrors. Österreich hingegen blieb von schwerwiegenden rechtsextremen Attentaten zuletzt verschont. Die Erinnerung an die Briefbomben von Franz Fuchs schwebt noch im Hinterkopf. Der Amoklauf eines Vorarlberger Neonazis 2016, der Brandanschlag auf das Asylheim in Altenfelden im selben Jahr und der sogenannte „Breivik aus Traun“ (2011) hingegen sind weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.

Die Gefahr rechtsextremer Terroranschläge ist offenkundig auch in Österreich präsent und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Selbst wenn es hierzulande noch nicht brennt, so wird doch ordentlich gezündelt.

Das darf man doch wohl noch sagen…

Rechtsterroristische Attentate finden in einem Meinungsklima statt, durch das die – fast ausschließlich männlichen – Täter sich zu ihrem Handeln ermächtigt fühlen. Insofern hängt der zu beobachtende Anstieg rechter Gewalt auch mit einer Verschiebung des öffentlichen Diskurses zusammen. Extrem rechten Akteurinnen und Akteuren gelingt es zunehmend, die Grenzen des Sagbaren zu erweitern.

Sebastian Kurz hat dies bereits 2018 auf den Punkt gebracht: „Vieles von dem, was ich heute sage, ist vor drei Jahren noch massiv kritisiert und als rechtsradikal abgetan worden, das hat sich geändert.“ Übernehmen konservative Parteien politische Inhalte des Rechtsextremismus, führt dies zur Legitimation des letzteren. In der Terminologie der „Neuen Rechten“ ausgedrückt, handelt es sich dabei um einen Erfolg auf dem Feld der „Metapolitik“ - der Vorbereitung politischer Umbrüche im vorpolitischen Raum. Über populäre Einzelpersonen, Aktionismus, eigene Medienprojekte und andere kulturelle Initiativen soll dabei das gesellschaftliche Klima im Sinne rechtsextremer Vorstellungen verändert werden.

Ein Beispiel für ein solches Medienprojekt stellt die rechtsextreme Zeitschrift „Info-Direkt“ aus Oberösterreich dar. Das „Magazin für Patrioten“, wie es sich selbst nennt, erscheint seit 2015 zweimonatlich und hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten rechtsextremen Printmedien Österreichs entwickelt. Hinter der modernen Aufmachung der Zeitschrift verbergen sich nicht nur antisemitische und rassistische Inhalte, sondern auch Verbindungslinien zum österreichischen Neonazismus der 2000er-Jahre. Wenngleich keine direkte Linie zwischen rechtsterroristischen Anschlägen und „Info-Direkt“ gezogen werden kann, so lassen sich viele Inhalte der Zeitschrift doch als diskursive Vorbereitung solcher Gewalt verstehen. „Info-Direkt“ bedient sich dabei mehrerer narrativer Muster, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.

Die große Verschwörung

Es ist ein kennzeichnendes Merkmal von „Info-Direkt“, dass in Artikeln stetig Untergangs- und Bedrohungsszenarien beschworen werden, wobei Verschwörungsfantasie und Rassismus nicht selten gemeinsam auftreten. So liest man in der Zeitschrift etwa von einer „organisierte[n] Massenüberflutung mit kulturfremden Migranten“, deren „Ziel [...] die Gleichschaltung aller Länder durch Vermischung“ sei. „Die Europäer würden dadurch in einer ‚hellbraunen Rasse‘ aufgehen, mit einem durchschnittlichen IQ von 90.“

Entlang derselben Linie wird in „Info-Direkt“ gerne an der Verschwörungserzählung des „Großen Austausches“ gesponnen. Dieser zufolge gibt es einen geheimen Plan der – meist als jüdisch imaginierten – Eliten, die weiße Mehrheitsbevölkerung durch nicht-weiße Migrantinnen und Migranten auszutauschen. Der Attentäter von Christchurch fühlte sich zu seiner Tat unter anderem durch diesen vermeintlichen „Großen Austausch“ motiviert. „Info-Direkt“ widmete der Verschwörungsfantasie bereits 2016 ein Heft und rückte auch nach dem Attentat in Neuseeland nicht davon ab, sondern verkündete sogar, der „Bevölkerungsaustausch“ sei „längst Realität“. Erst kürzlich bekundete Heinz-Christian Strache im Interview mit „Info-Direkt“: „Das ist ein Bevölkerungsaustausch, anders kann man es nicht bezeichnen!“

Angstpolitik zählt zum Kerngeschäft der extremen Rechten.
Foto: APA/dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

Das Spiel mit der Angst

Ob es sich nun um den „Großen Austausch“ handelt oder eine andere Verschwörungsfantasie, ihnen allen ist gemein, dass „wir“ bedroht werden. Oftmals wird dieses „wir“ nicht näher bestimmt. Die offene Bezugnahme auf „Rassen“ findet man in „Info-Direkt“ nur noch selten, vielmehr spricht man von „ethnokulturellen Gruppen“ oder „ethnisch homogenen Völker[n]“. Was eigentlich gemeint ist, wird verschleiert und bricht doch an der einen oder anderen Stelle durch: „Wer weiß ist, wird zum Opfer“, heißt es dann etwa. Es wird eine real anmutende Gefahr konstruiert und gebetsmühlenartig wiederholt.

Wer „Info-Direkt“ liest, bekommt eine Welt präsentiert, in der „Vergewaltigungen, Mord und Plünderungen durch Zuwanderer […] auf der Tagesordnung“ stehen. Dabei findet eine Täter-Opfer-Umkehr par excellence statt. Einerseits wird breitflächig gegen Migrantinnen und Migranten gehetzt, andererseits stilisiert man sich selbst zum Opfer. In der Zeitschrift wird offen Rassismus, Antisemitismus und NS-Relativierung verbreitet und zugleich beklagt man einen Mangel an Meinungsfreiheit.

Unter dem Strich bleibt das Narrativ einer angeblichen „ethnische[n] Verdrängung der Deutschen und weißen Europäer“ zurück, die von der Mehrheitsgesellschaft nicht erkannt werde. Der Propagierung einer Bedrohung von außen ist eine Form von Gewalt eingeschrieben, die für den Rechtsextremismus konstitutiv ist. Die eigene Aggression wird dabei zur reaktiven Selbstverteidigung umgedeutet. Verschwörungsfantasien ermöglichen es, die Anwendung von Gewalt als gerechtfertigte Notwehr darzustellen. In Bezug auf rechte Gewalt gilt es zudem anzumerken, dass Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten nicht nur sich selbst, sondern das gesamte (rassisch oder kulturalistisch definierte) „Volk“ oder gleich das ganze Abendland zu verteidigen meinen. In „Info-Direkt“ heißt es dazu programmatisch: „Auch wenn es ihnen [den „Linken“, Anm.] eigentlich zu wünschen wäre, dass sie die Früchte ihrer gesellschaftspolitischen Arbeit selbst ernten dürfen, haben wir doch die moralische Verpflichtung rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und gemeinsam Europa zu verteidigen.“

Vorbereitung auf den Untergang

Man stehe an den „Fronten eines (vorerst virtuellen) Bürgerkrieges“ oder auch in einer „Phase zwischen dem Vorbürgerkrieg und dem Bürgerkrieg“. Mit solchen Aussagen erfüllen Zeitschriften wie „Info-Direkt“ eine wichtige Aufgabe in der rechtsextremen Szene. Sie konstruieren nicht nur ein permanentes Bedrohungsszenario, sondern appellieren auch an den Kampfgeist ihrer Leserschaft. Die „Losung der Zeit [muss] nun Arbeit und Kampf lauten“, liest man weiter. Man solle „Zellen bilden“ und sich „auf den Zusammenbruch dieses Systems“ vorbereiten. Auch ein konkretes Bild, wie diese Vorbereitung aussehen soll, findet sich in der Zeitschrift. Von „Kampfsport- und Selbstverteidigungstraining“ bis hin zu einer mehrteiligen Artikelserie zur „Krisenvorsorge“ (im englischen Prepping) findet sich in „Info-Direkt“ viel Einschlägiges. Besonders hellhörig sollte man jedoch werden, wenn der Leserschaft nahegelegt wird, sich mit Schusswaffen auszurüsten. Wie man als Zivilistin oder Zivilist möglichst reibungslos an eine Waffenbesitzkarte gelangt, wird in „Info-Direkt“ in einer Art Leitfaden erörtert. In einem Gastbeitrag eines ehemaligen Obersten des österreichischen Bundesheeres spricht dieser von einer „linksgrün-versiffte[n] Elite“ und „ferngesteuerten, kampfkräftigen männlichen Masseninvasoren“, um schließlich mit einem Aufruf zu schließen: „Geht zum Bundesheer, lernt kämpfen und Kameradschaft – werdet wehrhaft und bewaffnet Euch.“

Angst ist ein schlechter Ratgeber

Rechte Gewalt beginnt nicht bei Anschlägen wie jenem in Christchurch, sie beginnt viel früher. Rechtsextreme Gewalttäterinnen und Gewalttäter ziehen die tödlichen Konsequenzen aus einem Diskurs des Hasses, der unter anderem von offen zugänglichen Publikationen wie „Info-Direkt“ befeuert wird. Die permanente Konstruktion von Bedrohungsszenarien – gepaart mit Verschwörungsfantasien und Kampfparolen – birgt ein gefährliches Potenzial in sich. Unterstützung erhält „Info-Direkt“ seit Jahren von Seiten der FPÖ durch Interviews, Gastbeiträge und Inserate.

Erst jüngst sorgte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz für Aufmerksamkeit, als er im Interview mit der Zeitschrift ein Ende der „Distanziererei“ gegenüber den "Identitären" verkündete. Noch im April 2019 hatte die FPÖ alle Beziehungen zu der rechtsextremen Gruppierung aufgekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass diese in Kontakt mit dem Attentäter von Christchurch gestanden hatten. Über den Umweg der FPÖ werden rechtsextreme Inhalte in den gesellschaftlichen Diskurs eingeführt und sukzessive normalisiert. Damit wird nicht nur die sprachliche Gewalt von „Info-Direkt“ weitergetragen, sondern es werden auch die Voraussetzungen für physische Gewalt geschaffen. (Daniel Herzog, 14.12.2020)

Daniel Herzog hat Politikwissenschaft in Wien studiert und forscht zu Rechtsextremismus.

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