Forschungsinfrastruktur in Laboren kostet Geld: Deswegen fordern die Autoren einer Studie über Potenziale der Grundlagenforschung die Einführung von Overhead-Zahlungen.

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Österreich hat Wissenschafter, die Weltspitze in der Grundlagenforschung sind. Diese Spitze ist aber im internationalen Vergleich nicht groß genug: Das ist eine der Schlussfolgerungen, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) in einer gemeinsamen Studie zur Lage der Grundlagenforschung in Österreich ziehen.

Die Hauptautoren der Arbeit, Jürgen Janger (Wifo) und Thomas König (IHS), sehen eine kleine Chance, dieses Manko mit der geplanten Exzellenzinitiative des Wissenschaftsfonds FWF zu beheben. Sie haben aber in zwei Punkten ihre Zweifel.

Zum einen müssten Mittel für die Exzellenzinitiative, so die Autoren, wirklich frisches und kein umgewidmetes Geld sein. Der Hintergrund: Der FWF wird zwar 2021 vom Wissenschaftsministerium 267,3 Millionen Euro erhalten. Das sind rund 53 Millionen mehr als im Jahr 2020.

Es droht aber gleichzeitig ein empfindliches Minus für den Fonds: Der alljährliche fixe Zuschuss durch das Finanzministerium in der Höhe von 100 Millionen Euro für die Nationalstiftung, die schon seit Jahren keine Gewinne abwirft, läuft heuer aus und ist noch nicht verlängert worden.

Über die Stiftung werden neben FWF und Österreichischer Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft (LBG), die Christian-Doppler-Gesellschaft (CDG) und die Bundes-Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) bedient. Zuletzt erhielt der FWF aus diesem Topf rund 30 Millionen.

Keine Lehrvertretung

Zum anderen, sagen Janger und König im Gespräch mit dem STANDARD, wäre womöglich eine Reform der Einzelprojektförderung von Österreichs größtem Financier für Grundlagenforschung effektiver: Der FWF vergebe verhältnismäßig geringe Maximalfördersummen für die Projekte, man könne sich als Wissenschafter keine Lehrvertretungen holen, um sich während der Projektlaufzeit auf die Forschung zu konzentrieren, der FWF könne auch im Gegensatz zu Forschungsförderern aus dem Ausland keine Overheads zahlen. Dabei handelt es sich um Extramittel für die meist teure Nutzung von Infrastruktur an Forschungseinrichtungen.

Janger und König argumentieren im Paper mit dem Titel "Forschungspolitik in Österreich. Zentrale Ansatzpunkte für eine Leistungssteigerung in der Grundlagenforschung", Overheads könnten einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Wachstum einer Forschungsgruppe leisten – weil die Fördermittel dann auch weitere Ausgaben wie Infrastruktur abdecken, die eine erfolgreiche Forschungsgruppe benötigt.

Themenoffen vs. missionsorientiert

In der vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebenen Studie wird auch der angebliche Widerspruch zwischen themenoffener ("bottom up") und missionsorientierter Forschungsförderung erörtert. Muss ein Projekt völlig unabhängig von allen vorgegebenen Zielen auf den Weg gebracht werden, oder kann die Förderung an ein gesellschaftlich relevantes Thema wie Klimawandel- oder Pandemie-Bekämpfung geknüpft sein?

Die Autoren sind sich einig: Der FWF habe derzeit zu wenig Mittel, um beides in relevanten Größenordnungen umzusetzen, die dafür notwendige Flexibilität habe er im Frühjahr mit Corona-Forschungsmitteln bewiesen, ebenso wie die FFG und der Wiener Wissenschaftsfonds WWTF. Mit dem gegenwärtig begrenzten Budget müsse man beim bisherigen Weg der themenoffenen Forschungsförderung bleiben.

Die Studienautoren bekritteln allerdings, "dass die österreichische Grundlagenforschung mit wenigen Ausnahmen ausschließlich über den FWF abgewickelt wird". Österreich habe es verabsäumt, eine wissenschaftsfreundliche Kultur aufzubauen, in der es über mehrere Stiftungen und Fonds auch privates Geld für die Unterstützung der Forschung gibt.

Themenspezifische Förderung von Grundlagenforschung sei theoretisch etwa über den 2007 gegründeten Klima- und Energiefonds des Klimaschutzministeriums möglich. "Warum das – mit zusätzlichen Mitteln – nicht gemacht wird, wissen wir nicht."

Gesunde Mischung

Es brauche kein Entweder-oder, sondern eine gesunde Mischung, dafür müsste es aber wohl grundlegende Änderungen im System geben: Missionsorientierte Forschung werde hierzulande häufig "scheel angesehen", weil man sie immer mit Auftragsarbeit verknüpft, nicht mit ideenreicher, qualitativ hochstehender, weil freier Wissenschaft.

Janger und König ist bewusst, dass neben dem in dieser Form noch nicht geführten Diskurs themenoffene versus missionsorientierte Forschung viele Details ihrer Studie seit Jahren bekannt sind – zum Beispiel die Forderung, der Grundlagenforschung mehr Mittel über wettbewerbliche Vergabe zur Verfügung zu stellen. Auch die Kritik an der im internationalen Vergleich schwachen Gründertätigkeiten im Hochschulbereich wiederholen sie.

Mit der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) habe der Bund zwar die ideale Anlaufstelle für Start-ups geschaffen, "die Programme decken weitgehend alle Bedürfnisse ab". Daneben gebe es aber deutlich zu wenig Risikokapital von privater Seite. Hier fehle es an einer Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen.

Obwohl man vermeint vieles davon schon gehört und gelesen zu haben: Vielleicht ist es mit den inhaltlich relevanten Studien ja so wie mit den steten Tropfen. Irgendwann höhlen sie womöglich den Stein, der hierzulande auf dem Weg zur breiten Spitze noch herumliegt. (Peter Illetschko, 11.12.2020)