Der namentlich zunächst nicht genannte Betreuer, der wie fünf Springer und Cheftrainer Widhölzl infiziert aus Wisla zurückgekehrt war, hat natürlich einen Namen. Er heißt Robert Treitinger. Vor wenigen Tagen berichtete der ÖSV-Sponsor Kronen Zeitung, dass sich der ÖSV von Treitinger getrennt habe, weil dieser gegen Corona-Regeln verstoßen habe. In der Krone kam ÖSV-Sportdirektor Toni Giger zu Wort. "Anlass dafür war die Nichteinhaltung der Covid-19-Schutzmaßnahmen", wurde Giger zitiert. "Das Vertrauen in die Person wurde zerstört."

In dem Konnex ist bemerkenswert, dass die Skispringer sehr wohl noch Vertrauen zu Treitinger hätten, wie aus einem Brief der "Trainingsgruppe 1" hervorgeht. Der Brief ist an ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, Generalsekretär Christian Scherer und Giger adressiert, darin heißt es, Treitinger sei "ein wesentlicher und von allen geschätzter Bestandteil" des Teams. Es wird auf Erfolge wie Krafts Gesamtweltcupsieg und den zweiten Platz im Nationencup verwiesen, zu denen Treitinger beigetragen habe.

Als die Welt noch in Ordnung war: Robert Treitinger (ganz rechts) in Jubelpose.
Foto: imago images/Sammy Minkoff

Dass sich der ÖSV vom Assistenzcoach trenne, "trifft uns als Mannschaft unvorbereitet und schränkt die Arbeit im Team ein", schreiben die Springer. Der Brief endet mit einem eindringlichen Appell: "Wir bitten deshalb, die Entscheidung zu überdenken, und hoffen inständig darauf, dass intern eine andere Lösung gefunden werden kann."

Gegen verschlossene Türen

Das Bitten, Hoffen und Briefverfassen war vergebens, so viel steht fest. Die Springer liefen beim Skiverband gegen fest verschlossene Türen. Treitinger ist per Ende Jänner gekündigt und ist bereits seit Tagen freigestellt.

Die Frage liegt auf der Hand: War es Treitinger, der das Covid19-Virus unbedacht in die Mannschaft geschleppt hat? "Nein, das ist nicht der Grund", sagt Mario Stecher, der Nordische ÖSV-Direktor, dem STANDARD. Sondern? "Es sind gewisse Covid19-Richtlinien nicht eingehalten worden. Ich möchte nicht ins Detail gehen. Aber es ist etwas vorgefallen, das nicht okay war."

Treitinger selbst gibt sich ebenfalls zurückhaltend, überlegt aber, Rechtsmittel zu ergreifen. Sein Vertrag mit dem ÖSV wäre mit Saisonende ohnedies ausgelaufen, und die Kündigung an sich scheint in arbeitsrechtlicher Hinsicht kaum anfechtbar. Der ÖSV hätte sie gar nicht begründen müssen, schon gar nicht öffentlich. Umso mehr sieht der Trainer durch Gigers Aussage in der Krone seinen Ruf geschädigt, was ihn bei der Suche nach dem nächsten Job behindern könnte.

Zur Abrechnung ins Büro

Was also hat sich Robert Treitinger zuschulden kommen lassen? Die Kündigung hat mit dem Wisla-Wochenende zumindest indirekt zu tun. Da steckten Springer und Trainer nicht erst im Hotel und an der Schanze, sondern schon bei der Anfahrt in Kleinbussen zusammen. Und auch auf der Rückfahrt, die in der Nacht auf Montag (23. November) erfolgte. Treitinger kam am Vormittag desselben Tages im ÖSV-Büro in Innsbruck vorbei, um Spesen abzurechnen. Er wurde beim Empfang nicht abgewiesen, suchte weitere Räumlichkeiten auf, unterhielt sich mit ÖSV-Mitarbeiterinnen.

Zu diesem Zeitpunkt fühlte er sich völlig gesund, auch kein Skispringer hatte von Corona-Symptomen berichtet. Tage später wurde eine der ÖSV-Mitarbeiterinnen, mit denen er sich unterhalten hatte, positiv getestet. Es ist möglich, dass er sie infiziert hat. Das ÖSV-Büro hätte er besser nicht aufgesucht. "Es war leichtsinnig", gibt er zu. Aber war es auch ein Fehler, der eine Kündigung rechtfertigt?

Am 16. November hatte der ÖSV mehreren hundert AthletInnen, BetreuerInnen und MitarbeiterInnen per E-Mail eine Nachricht zukommen lassen. Sie liegt dem STANDARD vor, darin heißt es: "Das Verbandsbüro wird von Dienstag, 17. 11. 2020, bis einschließlich 8. 12. 2020 geschlossen, d. h. ab sofort ist kein Parteienverkehr mehr möglich." Und dann weiter: "Die Rennsportsekretariate Alpin, Nordisch, Skicross und Freeski im ÖSV-Büro sind Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr durch eine Kollegin besetzt."

Cheftrainer Andreas Widhölzl gibt sich bedeckt.
Foto: APA/EXPA/ JFK

Offene Fragen

Der Skisprungtrainer Treitinger hat die Nachricht entweder gar nicht oder nicht genau gelesen oder falsch verstanden. Er will sich auch mit dem Hinweis auf ein mögliches Verfahren dazu nicht äußern. Schließt ihn als ÖSV-Angestellten der Begriff "Parteienverkehr" mit ein? Wieso weist der ÖSV darauf hin, dass die Rennsportsekretariate sehr wohl "besetzt" sind? Und wieso wurde Treitinger, wenn die Regeln tatsächlich so streng auszulegen sind, nicht gleich am ÖSV-Eingang wieder abgewiesen? Da hakt Giger ein, das sei ergänzt. Der Sportdirektor sagt, Treitinger sei von einer ÖSV-Mitarbeiterin sehr wohl darauf hingewiesen worden, dass sein Verhalten unangebracht sei.

Am Dienstag (24. November), dem Tag nach seinem ersten Besuch im ÖSV-Büro, soll Treitinger, wie der STANDARD erfuhr, übrigens ein zweites Mal dort vorbeigeschaut haben. Im Auftrag "seines" Cheftrainers Widhölzl, für den er stellvertretend eine Unterschrift leisten und etwas abholen sollte. Dieser Besuch soll nur wenige Minuten lang gedauert haben, es wäre aber zumindest bemerkenswert, wenn er auf Bitte des ÖSV-Cheftrainers erfolgte. Vom STANDARD darauf angesprochen, reagiert Widhölzl ausweichend. "Robert tut mir leid. Ansonsten will ich nichts mehr zu dem Thema sagen. Ich hab mich im Skiverband dazu geäußert. Die Kündigung ist eine ÖSV-Entscheidung, und ich bin Arbeitnehmer beim ÖSV." (Fritz Neumann, 8.12.2020)