In Spanien wird gelegentlich an das Schicksal der Westsahara erinnert.

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Die Menschenrechtslage in der seit 1976 von Marokko besetzten Westsahara hat sich erheblich verschlechtert, seit die Waffen wieder sprechen. Seit Marokko am 13. November den Waffenstillstand mit der Unabhängigkeitsbewegung Polisario gebrochen hat, beschießt diese fast täglich marokkanische Stellungen entlang des 2.700 Kilometer langen Sandwalls entlang der besetzten Gebiete.

"Noch am Tag des Kriegsausbruchs durchsuchten die Besatzungssoldaten Häuser und Wohnungen von saharauischen Familien in der Hauptstadt El Aaiún", erklärt Hassan Duihi via Whatsapp. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Liga zum Schutz der saharauischen Gefangenen bei einer der lokalen Menschenrechtsorganisationen in der ehemaligen spanischen Kolonie an Afrikas Westküste.

Über zwei Drittel der Westsahara – eine Fläche dreimal so groß wie Österreich – sind besetzt, der Rest ist in der Hand der Polisario und der Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS), die in den saharauischen Flüchtlingscamps im angrenzenden Algerien sitzt. Der erneute Konflikt begann, nachdem marokkanische Truppen eine friedliche Blockade an der Grenze zwischen der Westsahara und Mauretanien gewaltsam räumten und einen Grenzübergang öffneten, obwohl das Gebiet eine entmilitarisierte Zone ist. Der Übergang dürfte gar nicht bestehen, da es ihn 1991 bei der Unterzeichnung des Waffenstillstands zwischen Polisario und Marokko nicht gab.

Abstimmung nie umgesetzt

Ein Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara, das Teil des Abkommens war, hat bis heute nicht stattgefunden. Die nötige Erfassung der Wahlberechtigten scheiterte an der Haltung der marokkanischen Regierung. Sie wollte Stämme in den Zensus aufnehmen lassen, die an der Grenze zur Westsahara leben. Von den mehr als einer halben Million Einwohnern der besetzten Gebiete sind heute weniger als 100.000 Saharauis. Der Rest sind umgesiedelte Marokkaner. 170.000 Saharauis leben seit 45 Jahren in algerischen Flüchtlingslagern.

"Die Städte gleichen einer einzigen großen Polizeiwache", berichtet der 56-jährige Duihi. Aktivisten wie er würden überwacht, spontane Proteste niedergeschlagen, Menschen willkürlich angehalten.

Zwölfjährige verhaftet

"Am dramatischsten und unmenschlichsten ist der Fall der zwölfjährigen Hayat Daya", berichtet Duihi. Das Mädchen sei drei Tage nach Kriegsbeginn mit einer Militärhose und einem Shirt mit der Fahne der Exilregierung zur Schule gegangen. Lehrer verständigten die marokkanische Polizei. "Hayat wurde verhaftet, geschlagen und gefoltert", sagt Duihi. "Ihr wurde mit Vergewaltigung gedroht."

Auch die politischen Gefangenen leiden unter der sich zuspitzenden Lage. So etwa die 19 Häftlinge des 2010 gewaltsam aufgelösten saharauischen Protestcamps in Gdeim Izik unweit von El Aaiún. "Sie bekommen keine Post mehr. Und sie dürfen nur noch fünf Minuten pro Woche statt bisher 15 Minuten von einem direkten Familienangehörigen angerufen werden", berichtet Claude Mangin, deren Ehemann, der Menschenrechtsaktivist und Wirtschaftswissenschafter Enaama Asfari, eine 30-jährige Haftstrafe in Kenitra absitzt.

Wirklich objektive Berichte über das Kriegsgeschehen und die Menschenrechtslage gibt es nicht. "Es ist höchst ungewöhnlich, dass Menschenrechtsorganisationen Beobachtungsaufgaben vor Ort ausführen dürfen, weder in der Westsahara noch in den Flüchtlingscamps", erklärt Amnesty International. Das Gleiche gelte für Journalisten.

Auch die UN-Mission zur Kontrolle des Waffenstillstandes in der Westsahara, Minurso, ist keine Hilfe. Anders als sonst bei Einsätzen der Blauhelme üblich, hat die Minurso nicht die Aufgabe, über Menschenrechte zu wachen. (Reiner Wandler aus Madrid, 8.12.2020)