Entwurf für ein Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung.

Albertina

Adolf Loos meinte einst, dass die Zeitungsschreiber im Laufe der letzten Jahre versucht hätten, Mut zu den Geschmacklosigkeiten der modernen Künstler zu machen. Er hingegen wolle versuchen, den Menschen Mut zu den eigenen Geschmacklosigkeiten zu machen. Nachdem Loos am 10. Dezember seinen 150. Geburtstag feiern würde, sind die Zeitungsschreiber längst andere. Dasselbe gilt für die Geschmacklosigkeiten, wobei der im mährischen Brünn geborene Loos auch in diesen Tagen genügend Gründe fände, wie ein Rohrspatz zu schimpfen. Warum das so ist und wie zeitlos das Œuvre dieses Wegbereiters der Moderne bis heute nachwirkt, zeigt nun eine Schau im Wiener Mak.

Nach den Zeiten der Corona-bedingten Schließung begrüßt einen das ehrwürdige Museum nun also auch wieder in seiner Schausammlung mit einem herzlichen Knarzen des hölzernen Fußbodens. Tut gut. Wandelt man durch die Schausammlung Wien 1900 und lässt ein paar gute alte Bekannte hinter sich, führt eine Treppe hinauf in einen sehr ruhig gestalteten Raum, in dem in Studio-Atmosphäre auf gut 150 Quadratmetern der Bereich der Privathäuser von Adolf Loos thematisiert wird.

Gezeigt werden gut 100 Zeichnungen, Pläne, Fotos und Modelle aus dem Loos-Archiv der Wiener Albertina. Der Fokus liegt dabei einerseits auf revolutionären, oft luxuriös eingerichteten Einfamilienhäusern für eine bürgerliche, oft jüdische Klientel. Andererseits gehen die Macher der Schau, Rainald Franz und Markus Kristan, ebenso auf Sozialbauprojekte des Entwerfers ein. Darunter sind Bauten für das Wiener Siedlungswerk, die Gemeinde Wien sowie den Werkbund.

Baukastenprinzip Moderne

Schnell wird wieder klar, wie sehr Loos mit der Gattung der Schnörkel auf Kriegsfuß war, wie sehr ihm der ökonomische Umgang mit Raum am Herzen lag und auf welche Art er daraus ein kompliziertes, räumlich ineinander verschränktes System entwickelte. Fast könnte man von einem Baukastensystem sprechen, das den Ablauf von Lebensabläufen reformieren sollte. Wen wundert es also, wenn man in der Schau die Worte lesen darf: "Die Architektur gehört nicht unter die Künste. Nur ein ganz kleiner Teil der Architektur gehört der Kunst an: Das Grabmal und das Denkmal. Alles, was einem Zweck dient, ist aus dem Reiche der Kunst auszuschließen", meinte Loos, der 1933 in Kalksburg starb.

Die Pläne und Modelle wirken oft hart rechtwinklig und streng, ebenso wie die Physiognomie und der Blick des Architekten auf diversen Fotos. Aufs erste Hinschauen sehen die Entwürfe oft so aus, wie das Wort Reißbrett klingt. Dabei ist es erstaunlich, einmal mehr entdecken zu dürfen, wie etwas derart Eckiges und Verwinkeltes so einladend wirken kann, dass man stante pede hindurchwandeln möchte, um sich auf gute Art und Weise schwerzutun, sich für eine der wunderbaren Wohnecken zu entscheiden.

Auf Schnickschnack wird eingedenk des Schaffens von Loos in der Schau verzichtet, einzig seine Totenmaske und der ausgestellte Reiseschreibtisch des Architekten lassen ihn auch persönlich etwas greifbarer werden. Auf einem Tisch sind Utensilien wie Brieföffner, Tintenfass, Siegellack oder eine Ausgabe von Karl Kraus’ Fackel zu finden. Über einen gefinkelten Mechanismus war der nicht gerade kleine Tisch zusammenklapp- und transportierbar. "Eine Art frühes Laptop", wie Mak-Kustode Rainald Franz meint und nachlegt: "Ganz im Sinne eines mobilen Lebensentwurfs."

Nicht ignoriert, aber auch nur knapp thematisiert wird in der Schau auch die Anklage gegen Loos wegen des Verbrechens der Schändung und Verführung zur Unzucht. (Michael Hausenblas, 9.12.2020)