"Auf dieser Reise dreht man manchmal eine Extrarunde", sagt Peter Hochegger (vorne im Bild) zur Selbstfindung.

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Gebannt haben die Buwog-Prozessteilnehmer auf die Entscheidung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gewartet, am späten Montagnachmittag wurde sie bekannt: Die Ermittlungs- und Anklagebehörde wird kein Rechtsmittel gegen das Buwog-Urteil einlegen. Weder Berufung gegen die Strafhöhe beim Oberlandesgericht (OLG) Wien noch Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH). Was das vor allem bewirkt hat: großes Aufatmen der sechs Freigesprochenen – ein Ex-Immofinanz-Manager in der Causa Buwog, fünf "Linzer" in der Causa Terminal Tower. Ihre Freisprüche werden rechtskräftig.

Alle anderen Angeklagten wurden – nicht rechtskräftig – zu Haftstrafen verurteilt, allen voran Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (acht Jahre), die Ex-Lobbyisten Walter Meischberger (sieben Jahre) und Peter Hochegger (sechs Jahre) sowie Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics (er war schon einmal verurteilt und bekam eine Zusatzstrafe von zwei Jahren). Sie werden Rechtsmittel einlegen. Grasser spricht von einem "krassen Fehlurteil", Meischberger sah sich in Österreich gar an die "ganz dunklen Zeiten dieses Landes vor mehr als 70 Jahren" erinnert und könnte damit einen Bezug zur Rechtsprechung unter dem NS-Regime hergestellt haben. Die Justiz reagierte darauf nicht.

Meischberger zieht Vergleich zu totalitären Regimen

"Ich habe nie einen Bezug zum NS-Regime gemacht, sondern zur Methodik des politischen Missbrauchs der Justiz in totalitären Regimen. Dies war in Österreich in mehr als siebzig Jahren nicht vorgekommen und darf nie wieder vorkommen", präzisierte Meischberger am Dienstag auf Anfrage. Und wiederholte seine bekannten Vorwürfe, wonach das Buwog-Verfahren "von Beginn an ein politisch und ideologisch motivierter Prozess" gewesen sei, und die Hauptangeklagten vorverurteilt worden seien.

Und was sagt Hochegger, der ein Teilgeständnis abgelegt hatte – und trotzdem sechs Jahre ausgefasst hat, weil die Richterin sein Geständnis als taktisches Manöver wertet? Auch er wird Rechtsmittel einlegen, gibt sich aber gefasst. Der nach seiner Darstellung "geläuterte" Ex-Lobbyist: "Alles hat einen Sinn im Leben, obwohl ich den bei der Urteilsverkündung nicht gleich erkennen konnte. Es geht drum, zu sich selbst zu finden, und auf dieser Reise dreht man halt manchmal eine Extrarunde." Sein Geständnis bereue er nicht, sagte er dem STANDARD.

Abwarten in Brasilien

Zunächst bringt diese Extrarunde Hochegger in seine Wahlheimat Brasilien, dort wird er den Fortgang der Dinge abwarten. Der in der Causa Telekom/Parteienfinanzierung verurteilte Ex-Telekom-Manager Rudolf Fischer (Zusatzstrafe ein Jahr, davon vier Monate unbedingt) wird das in Thailand tun, wo er lebt.

Er hatte den Gerichtssaal am Freitag noch vor dem Ende der Urteilsbegründung durch die Richterin verlassen: Er musste seinen Flieger erwischen. Das Gericht war davon informiert worden. Gründe für Untersuchungshaft gibt es nicht: Fluchtgefahr werde auch deshalb nicht angenommen, weil beide zu den Verhandlungsterminen kamen und auf Abruf bereitstehen, wie es in der Justiz sinngemäß heißt.

Jahre bis zum Prozessende

Die Verurteilungen sind jedenfalls nicht rechtskräftig, bis zur endgültigen Entscheidung wird es noch Jahre dauern. Zunächst wird Richterin Marion Hohenecker das Urteil in Schriftform bringen, was wohl etliche Monate dauern wird. Die Verteidiger bekommen dann eine (wegen des Umfangs des Urteils) verlängerte Frist, ihre Rechtsmittel einzubringen. Eine seriöse Einschätzung, wann OLG Wien und OGH – und allenfalls der Verfassungsgerichtshof, den Grasser anrufen will – entscheiden werden, gibt es nicht.

Grasser (links) wurde zu acht Jahren Haft verurteilt, sein Trauzeuge Meischberger zu sieben. Beide beteuern ihre Unschuld.
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Nur zum Vergleich: Das Bawag-Urteil erster Instanz fiel im Juli 2008, der OGH entschied im Dezember 2010. Der Prozess gegen einige Angeklagte wurde wiederholt, die Urteile im Mai 2013 rechtskräftig.

Für Ernst Plech gilt das alles nicht. Der heute 76-jährige Ex-Immobilienmakler zählte ursprünglich zu den Angeklagten, wurde 2000, als die schwarz-blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) ihre Arbeit aufnahm, Aufsichtsratschef der Buwog, war von 2004 bis Februar 2009 einfaches Mitglied. Plech war in etliche staatsnahe Immobilientransaktionen involviert.

Plech verhandlungsunfähig

In der Anklage wird ihm unter anderem Beihilfe zu Untreue und Bestechung vorgeworfen, er habe als eine "Kommunikationsschnittstelle" fungiert. Plech hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen, war bei ein paar Verhandlungstagen dabei, fiel dann aber aus gesundheitlichen Gründen aus.

Sein Verfahren wurde ausgeschieden, fortgesetzt wird es erst, wenn Plech verhandlungsfähig ist. Der vom Gericht bestellte Sachverständige macht regelmäßig Gutachten, zuletzt hat der Internist konstatiert, es gehe Plech besser. Der und seine Ärzte sehen es anders. Der Öffentlichkeit wurde der Immobilienexperte durch eine Frage Meischbergers bekannt, die er ihm in einem Telefonat gestellt hatte. Sie lautete: "Wo woar mei Leistung?" (Renate Graber, 9.12.2020)