80 Prozent der befragten Lehrer wären laut einer Uni-Wien-Studie für Unterricht im Klassenverband mit zusätzlicher Förderung.

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Wien – Seit dem Schuljahr 2018/19 gibt es in Österreich separate Deutschförderklassen für Kinder und Jugendliche, die noch nicht gut genug Deutsch sprechen, um dem Regelunterricht zu folgen. In einer Befragung der Uni Wien haben Lehrer dem Modell nun kein gutes Zeugnis ausgestellt: 80 Prozent der Befragten (rund 1.300 Lehrer aus allen Bundesländern mit Ausnahme von Salzburg) gaben an, dass sie Unterricht im Klassenverband mit zusätzlicher Deutschförderung besser fänden.

Für die nicht repräsentative Untersuchung des Teams um Susanne Schwab vom Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien wurden Pädagogen befragt, an deren Schule zumindest eine Deutschförderklasse (mit 15 bis 20 Stunden Förderung in separaten Klassen) oder ein Deutschförderkurs (sechs Stunden separate Förderung) angeboten wird. Etwa ein Sechstel davon unterrichtet selbst in einer Deutschförderklasse oder einem -förderkurs, in denen Schüler unterschiedlicher Altersgruppen und teils sehr unterschiedlichen Sprachniveaus zur Deutschförderung zusammengefasst werden.

Kapazitätenmangel

Insgesamt wird das Modell der Deutschförderklassen insbesondere von jenen, die dort unterrichten, als (eher) negativ erlebt. Um integrativen Sprachunterricht in der Regelklasse wirkungsvoll umsetzen zu können, müssten allerdings nach Ansicht der Befragten mindestens zwei Lehrpersonen eine Klasse mit höchstens 16 Schülern unterrichten, von denen mehr als 60 Prozent Deutsch als Erstsprache haben.

Die Lehrer kritisieren vor allem die soziale Ausgrenzung beim Modell der Deutschförderklassen, bei dem die Schüler nur in Gegenständen wie Zeichnen, Musik oder Turnen altersgemäß den normalen Regelklassen zugeteilt werden und am Ende jedes Semesters einen Test zum Sprachfortschritt absolvieren müssen: Die Kinder würden isoliert und zwischen Stamm- und Deutschförderklasse hin- und hergerissen. "Es entsteht wenig Gemeinschaftsgefühl für die Kinder", wird eine Lehrperson zitiert.

Dazu kommt laut der Befragung, dass spielerisches Lernen im Austausch mit Klassenkollegen auf unterschiedlichen Sprachniveaus nicht möglich ist und das Potenzial gleichaltriger Sprachvorbilder ungenutzt bleibt: "Mitschüler als Sprachvorbilder fehlen. So wird fehlerhaftes Deutsch im Umgang mit (Deutschförder-)Klassenkollegen kultiviert", heißt es an anderer Stelle.

Gleichzeitig herrsche starker Druck auf die Kinder, bei der Mika-D Sprachstandsfeststellung gut abzuschneiden, um so in die Regelklasse wechseln zu können. Dort angelangt, würden den Schülern aber wiederum die Voraussetzungen fehlen, um in Fächern wie Mathematik oder Englisch mit den anderen Schülern der Regelklasse mithalten zu können, die sich das Wissen in diesen Fächern seit Jahresbeginn aneignen konnten.

Kompetenz und Kapazitäten

Als großes Manko wird in der Studie auch genannt, dass nur eine Minderheit der Lehrer eine spezifische Ausbildung zur Deutschförderung mitbringt: Nur 38 Prozent der Deutschförderklassenlehrer und 44 Prozent derjenigen, die einen Deutschförderkurs unterrichten, haben eine "Deutsch als Zweitsprache"-Ausbildung. "Etwas zu vermitteln, von dem ich selbst kaum Ahnung habe, halte ich für bedenklich", wird eine Lehrperson zitiert, die erst im zweiten Jahr als Deutschförderklassenlehrer eine Einschulung zum Thema bekommen hat.

Außerdem beklagen die Befragten Ressourcenmangel: Demnach gibt es zu wenige angemessene Räume, zu wenig Personal und adäquates Lernmaterial. Auch der Mika-D-Test, der über den Wechsel in die Regelklasse entscheidet, wird von vielen skeptisch gesehen. Für 48 Prozent der Deutschförderklassen-Lehrer ist es (eher) nicht möglich, mittels Mika-D eindeutige Entscheidungen über Ressourcen zu treffen.

Es solle nicht sein, dass Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen als Belastung erlebt werden und Deutschförderklassen in der Folge als Entlastung für die Regelklassenlehrperson gesehen werden, betonen die Forscher der Uni Wien. Außerdem sollten Deutschförderklassen nicht dazu beitragen, dass Schüler mit anderen Erstsprachen in separaten Klassen segregiert und marginalisiert werden. "Ein bewussterer, rücksichtsvollerer und offenerer Umgang mit Mehrsprachigkeit vonseiten des Lehrpersonals sollte demnach vonseiten des Bildungssystems angestrebt werden", so ihre Forderung. Das könne etwa durch eine gezieltere und sensiblere Ausbildung erreicht werden. (APA, 9.12.2020)