Die Netze von Radnetzspinnen sind nie perfekt radialsymmetrisch, und abgesehen von diversen Unregelmäßigkeiten gibt es auch ein durchgängiges Muster: Das Zentrum ist in der Regel zum oberen Rand hin verschoben. Die Vermutung, dass es bei der Orientierung einen Zusammenhang mit der Schwerkraft geben könnte, liegt nahe – und ein internationales Forschungsteam hat sie mit einem Experiment überprüft.

2011 wurden zwei Goldene Seidenspinnen (Trichonephila clavipes) zur Internationalen Raumstation ISS geschickt. Das waren nicht die kleinsten Passagiere, die je in den Orbit gereist sind: Ihr auffallend langgestreckter Körper kann bei den größeren Weibchen bis zu vier Zentimeter lang werden. Sie reagieren auf Menschen aber nicht aggressiv – und wenn sich doch einmal eine in Bedrängnis fühlt und zubeißt, dann ist ihr Biss harmloser als ein Bienenstich.

Die Goldene Seidenspinne ist in den Amerikas zuhause und baut Netze von bis zu zwei Meter Durchmesser.
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Als die Tiere dann in der Schwerelosigkeit Netze bauten, waren diese tatsächlich symmetrischer als die auf der Erde gesponnenen, wie die Forscher im Fachmagazin "The Science of Nature" berichten. Doch gab es dabei eine Einschränkung, mit der niemand gerechnet hatte: Die neue orbitale Symmetrie trat nur dann auf, wenn die Netze im Dunkeln gesponnen wurden. Ließ man die Tiere bei Licht arbeiten, spannen sie sofort ähnlich asymmetrische Netze wie ihre Artgenossen auf der Erde. Auch wenn sie dafür mangels Schwerkraft ein willkürliches "Oben" wählen mussten.

"Dass Licht für die Orientierung der Spinnen im Raum eine Rolle spielt, hätten wir nicht vermutet", sagt Samuel Zschokke von der Uni Basel. "Dass Spinnen ein solches Reservesystem zur Orientierung haben, scheint überraschend, da sie im Laufe ihrer Evolution ja nie einer Umwelt ohne Schwerkraft ausgesetzt waren."

Der Biologe hat aber auch eine Hypothese parat, die das unerwartete Ergebnis erklären könnte: Während des Netzbaus gerät der Lagesinn einer Spinne durcheinander, da sich die hinteren und vorderen Körperteile ständig bewegen. Eine zusätzliche Orientierungshilfe anhand der Richtung des Lichts könne da durchaus nützlich sein. (red, APA, 19. 12. 2020)