Der Lagerpetid Dromomeron (im Vordergrund) im Kreise einiger Zeitgenossen aus der frühen Trias. Während die am Boden lebten, kletterte er in Bäumen herum. Aus Tieren wie ihm dürften sich laut einer aktuellen Studie die Flugsaurier entwickelt haben.
Illustration: Donna Braginetz

Vor knapp 230 Millionen Jahren waren die Flug- oder Pterosaurier die allerersten Wirbeltiere, die das aktive Fliegen erlernten. Sie waren keine Dinosaurier, gelten aber unter allen als "Reptilien" bezeichneten Tieren als deren engste Verwandte. Doch wie sind sie entstanden? Diese Frage treibt Paläontologen schon seit 200 Jahren um. Ein internationales Forschungsteam glaubt nun wenigstens eine der vielen offenen Fragen zu dieser einzigartigen Tiergruppe beantworten zu können.

Da die Pterosaurier keine lebenden Nachfahren hinterlassen haben, ist es umso wichtiger, ihre nächsten Verwandten zu identifizieren, um ihre Abstammung zu klären. Die fand das Team nun auf Basis der Analyse von Schädel- und Skelettfunden in einer Tiergruppe, die ihrerseits seit langem Rätsel aufgibt: nämlich bei den Lagerpetiden. Auch die wurden schon in die Nähe der Dinosaurier gestellt, so richtig einordnen ließen sie sich aber nicht.

Dieses 235 Millionen Jahre alte Fossil eines Lagerpetiden wurde in Argentinien gefunden.
Foto: Virginia Tech/Sterling Nesbitt

Die Lagerpetiden entstanden einige Millionen Jahre vor den ältesten Flugsauriern in der frühen Trias. Es waren kleinwüchsige, schlank gebaute Tiere mit verlängerten Hinterbeinen – Flügel hatten sie nicht. Auch die frühen Pterosaurier waren noch klein und wogen nur zwischen 80 Gramm und 1,5 Kilogramm, wie der Paläontologe Serjoscha Evers von der Uni Freiburg erklärt. Erst viel später entwickelten sich auch gigantische Arten mit zwölf Metern Flügelspannweite und einem Gewicht von bis zu 250 Kilogramm, die größten flugfähigen Tiere aller Zeiten.

Die Parallelen zwischen Pterosauriern und Lagerpetiden beschränken sich aber nicht auf die Körpergröße – das allein würde noch keinerlei Aussage ermöglichen. Mittels Computertomographie fanden die Forscher aber heraus, dass die Gehirne und das Innenohr der beiden Tiergruppen große Ähnlichkeiten aufwiesen.

"Die Anatomie der Lagerpetiden lässt vermuten, dass die Reptilien ungewöhnlich beweglich waren und wohl viel Zeit in den Bäumen verbrachten", sagt Evers. Um in dieser Umgebung leben zu können, hätten die Tiere unter anderem einen guten Gleichgewichtssinn entwickelt. Und der hätte ihnen dann auch den Weg zum Flug ebnen können.

Unterschiedliche Wege

Die Ur-Lagerpetiden könnten also auch die Ahnen der Pterosaurier gewesen sein. Eine Zeitlang hätten sie dann als deren Schwestergruppe weiterexistiert, denn nicht alle von ihnen wechselten zur fliegenden Lebensweise. Lagerpetiden mit dem alten Körperbau lebten bis vor etwa 212 Millionen Jahren als Randerscheinung weiter, während ihre fliegenden Cousins einen evolutionären Aufschwung erlebten. Die Pterosaurier starben erst vor 66 Millionen Jahren aus.

Alle Fragen sind aber auch mit dieser Studie noch nicht geklärt. Offensichtliche Übergangsformen fehlen bislang, selbst die ältesten jemals entdeckten Pterosaurierfossilien stammen von Tieren, die bereits voll an eine fliegende Lebensweise angepasst waren. "Wir verstehen oder wissen nicht, wie genau die Flügel bei den Pterosauriern entstanden sind und wie schnell dies geschah", sagt Evers. Das Team plant deshalb, weitere Fossilien aus der Trias zu sammeln, um das Rätsel nach über 200 Jahren endlich zu lösen. (red, 12. 12. 2020)