Bild nicht mehr verfügbar.

Auf Instagram finden Mütter nicht nur wertvolle Ratschläge, sondern auch gefährliches Gedankengut rechtsextremer Szenen, die mit Themen zum Kinderschutz locken.

Foto: Getty Images/Vasyl Dolmatov

Sie tauschen Erfahrungsberichte aus, geben Erziehungstipps – auf Instagram tummeln sich viele Eltern, immer auf der Suche nach Inspiration und Rat. Diesen bekommen sie nicht selten von Mama-Bloggern mit großen Fan-Gemeinden. In den letzten Monaten musste man bei den Beiträge auf Instagram allerdings sehr genau hinschauen, um einen gut gemeinten Rat von einer Verschwörungsideologie der QAnon-Bewegung zu unterschieden. Mit scheinbar gut gemeinten Botschaften, die unter Hashtags wie #savethechildren ("#SchütztDieKinder") oder #befreitdiekinder laufen, werden Eltern – vor allem aber Mütter – auf Instagram oder Facebook geködert und für die QAnon-Szene mobilisiert.

Wer ist QAnon?

Die QAnon-Anhänger – kurz Q – glauben an einen verdeckten Kampf gegen eine satanistische, pädophile Elite, die kleine Kinder gefangen hält, um deren Blut zu trinken. Die Theorie klingt zunächst völlig absurd, ist aber mit zuvor schon existierenden Verschwörungsmythen wie "Pizzagate" zu vergleichen. Damals wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, Politiker der Demokraten würden ein internationales Pädophilennetzwerk von einer Pizzeria in Washington aus leiten.

Außerdem findet man bei den QAnon-Theorien Anklänge an klassische, antisemitische Verschwörungstheorien, wonach das "Weltjudentum" der heimliche Strippenzieher im politischen Weltgeschehen sei.

Auch im deutschsprachigen Raum verbreitet sich die QAnon-Szene immer weiter. Bekannte Anhänger sind Xavier Naidoo und Attila Hildmann. Fachleute halten die Bewegung für gefährlich und sprechen von einer Sekte.

Im Oktober verschärften die Onlinenetzwerke Facebook und Instagram ihr Vorgehen gegen die QAnon-Bewegung. Es wurden sämtliche Facebook-Seiten und -Gruppen sowie alle Instagram-Konten mit Verbindungen zu QAnon entfernt. Seither ist auch der Hashtag #QAnon oder #Q nicht mehr erreichbar.

Gefährliche Verschwörungstheorien in Tarnfarbe Pastellrosa

Stattdessen werden die Verschwörungsideologien von QAnon nun über harmlos klingende Hashtags wie #RettetDieKinder oder #awakeing ("erwacht") verbreitet, wobei es vordergründig immer um den Schutz von Kindern vor Missbrauch geht. Warum? Weil Kinder immer schon ein effektives Mobilisierungsthema sind. Das haben rechte Bewegungen schon lange erkannt und bereiten ihr Gedankengut nun so auf, dass es völlig ungefährlich und attraktiv auf Eltern wirkt: in süßen, pastelligen Farben. Viele Mütter auf Instagram fühlen sich durch die Aufmachung angesprochen. Sie folgen plötzlich Social-Media-Seiten mit verschwörungsideologischem Hintergrund, mit dem Gedanken, es würde sich um eine gute Sache handeln. Damit schaffen es rechtspopulistische Strömungen, einen Personenkreis zu erreichen, der sonst unerreichbar blieb. Die Accounts, die verschwörungstheoretische Inhalte gezielt für Instagram-Mütter aufbereiten, nennt man deswegen auch Pastell Q,

In den USA ist das Phänomen der QAMoms oder Pastell Q schon etwas weiter verbreitet als in Österreich. Beiträge mit QAnon-Inhalten werden nicht nur von Eltern, sondern auch von Lifestyle-Bloggern oder Fitness-Kanälen mit tausenden Fans geteilt. Auf solchen Profilen erscheinen plötzlich antisemitische oder antidemokratische Verschwörungstheorien in den Insta-Storys zwischen Schmink-Tipps und Eltern-Ratgebern.

Der kanadische Datenwissenschafter Marc-André Argentino erforscht, wie extremistische Gruppierungen Plattformen und Algorithmen zu ihrem Vorteil nutzen. In einem Twitter Beitrag beschreibt er das Pastell-Q-Phänomen:

Verbindung zu den Querdenkern

Besonders gefährdet sind verunsicherte Eltern, Mütter und Väter, denen die Corona-Krise verstärkt zu schaffen macht. Sie sorgen sich um ihre Kinder, um ihr Leben als Familie – und: Sie suchen einen Sündenbock für all das, was hier gerade passiert. Im Netz treffen sie auf Gleichgesinnte, sie werden von Hashtags wie #RettetDieKinder geködert und in die Welt der Qs eingeführt, ohne es zu merken. An Kinderschutz per se ist ja nichts auszusetzen, doch werden hier Feindbilder kreiert, wie etwa demokratische Politiker (Hillary Clinton), Unternehmer (Bill Gates) oder "die Elite" (Juden). Es geht also nicht mehr um Kinderschutz, sondern um Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit.

Bei den Querdenker-Demos fällt ebenfalls immer wieder das Wort Kinderschutz. Im September zerriss eine Rednerin auf der Bühne eine Regenbogenfahne und schrie unmittelbar danach ins Mikrofon: "Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen. Wir alle sind dafür verantwortlich." Womit sie homosexuelle Personen als "Kinderschänder" diffamiert.

Auf der Bühne von Querdenker-Demos wird aber auch immer wieder darüber gesprochen, wie gefährlich die Corona-Maßnahmen vor allem für die Kinder seien. Durch einen Mund-Nasen-Schutz sollen Kinder nachhaltig geschädigt werden – physisch und psychisch. In Deutschland verbreitete die "Querdenker"-Szene sogar das Gerücht, mehrere Kinder seien durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gestorben – was sich nachweislich als Falschmeldung herausstellte.

Kein Wunder, dass auch immer wieder junge Familien bei den Querdenker-Demos teilnehmen. Nicht weil sie rechtsextrem sind oder an Verschwörungsideologien glauben, sondern weil sie besorgt sind und weil sie sie sich vom neuen Look der Querdenker-Szene angesprochen fühlen.

Inwieweit die Querdenker-Szene mit Pastell Q in Verbindung steht, kann man noch nicht beantworten. Eines steht jedenfalls fest: Die neuen Rechten sind sehr erfolgreich darin, ihre antisemitischen und antidemokratischen Inhalte in zuckerwatterosa Bildchen zu verpacken. (red, 11.12.2020)