Engmaschiges Massentesten und Tracen würde Milliarden Euro verschlingen – aber weniger als ein Lockdown?

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Koste es, was es wolle: Unter diesem Motto stemmte sich die Regierung im Frühjahr gegen die erste Corona-Welle. Die Pandemie reißt heuer und im nächsten Jahr ein Loch von 68 Milliarden Euro in die Staatskasse, erwartet der Fiskalrat. In diese Prognose floss der Effekt des zweiten Lockdowns bereits ein. Ein dritter Lockdown kann derzeit nicht ausgeschlossen werden.

Laut jüngsten Schätzungen des Wirtschaftsforschungsinstituts kostet der zweite Lockdown bei einer Dauer von sechs Wochen die heimische Wirtschaft rund acht Milliarden Euro. Ob die gesundheitliche Krise diese Kosten rechtfertig, ist eine moralische Frage. Aus ökonomischer Sicht ist jedoch relevant, ob das Geld richtig eingesetzt wird oder es eine effizientere Strategie gibt, die schonender mit Steuergeld umgeht.

Testen und tracen statt sperren

Laut dem gewerkschaftsnahen Momentum-Institut wäre es sehr attraktiv, mit ganzjährigen Massentests und viel mehr Contact-Tracern das Virus im Zaum zu halten, als einen dritten Lockdown zu verhängen.

Denn die Hälfte der Bevölkerung über das gesamte nächste Jahr alle vier Tage auf das Virus zu testen koste 2,9 Milliarden Euro, steht in einer Aussendung vom Mittwoch. Dabei seien die Kosten für die Tests mit sieben Euro veranschlagt. Zusätzliche Personalkosten seien nicht berücksichtigt, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Allerdings würden die Ausgaben für Mitarbeiter, anders als bei den importierten Tests, positiv zur Wirtschaftsleistung beitragen, sagt Momentum-Chefökonom Oliver Picek. Durch intelligentes Pooling der Tests könne man die Kosten außerdem eindämmen.

Würde man dazu auch 9.000 Vollzeitstellen für Contact-Tracer schaffen, die 2.000 Euro brutto im Monat verdienen, müsste der Staat für die Gesamtstrategie 3,4 Milliarden Euro aufbringen. Das wäre nicht nur mehr als doppelt so effizient wie ein neuerlicher Lockdown, sondern würde neue Arbeitsplätze schaffen, statt welche zu gefährden, lautet das Argument.

Ob der Plan aus epidemiologischer Sicht funktioniert, will man nicht beurteilen. Aber solche Strategien zu prüfen würde sich lohnen: "Mit nur einem Bruchteil der finanziellen Aufwände, die ein oder mehrere neuerliche Lockdowns verursachen würden, könnte zusätzlicher Schaden für die heimische Wirtschaft und hunderttausende Beschäftigte verhindert werden", sagt Picek.

Ostasiaten machen es vor

Dass die Eindämmung von Covid-19 auch ohne harte Lockdowns funktioniert, haben einige Ländern Ostasiens vorgezeigt. In Japan und Südkorea setzt man auf Massentests und intensives Contact-Tracing.

Wie der deutsche Virologe Christian Drosten in seinem NDR-Podcast betonte, gelang es den Behörden in Japan besonders gut, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Die dortigen Contact-Tracer wenden nicht nur viel Zeit auf, um mit Patienten mögliche Neuinfektionen zu finden, sondern blicken auch zurück, um die Quelle der Infektion zu identifizieren. Zu diesem Zweck gehen Mitarbeiter eine lange Liste an typischen Risikosituationen durch, vom Besuch in der Karaoke-Bar bis zum Gesangsverein.

Das Contact-Tracing in Österreich wieder zu stärken sei dringend notwendig, betont man bei Momentum. Zuletzt verzeichnete Wien mit 50 Prozent noch die höchste Aufklärungsquote bei den Neuinfektionen im Bundesländervergleich. Leider seien landesweit vorerst nur 351 neue Stellen für Contact-Tracer geplant, bedauert Picek. "Für ein effektives Contact-Tracing wird das hinten und vorne nicht reichen. Die öffentliche Hand sollte daher in großem Maßstab zusätzliches Personal einstellen", empfiehlt der Ökonom. (Leopold Stefan, 9.12.2020)