In Russland scheiterte der Versuch, Telegram zu blockieren, auf breiter Front.

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Im Kampf gegen den Terror setzt die EU-Kommission auf den heftig umstrittenen Zugriff auf verschlüsselte Daten. Man werde mit den EU-Staaten daran arbeiten, eine legale Lösung für einen rechtmäßigen Zugriff zu finden, heißt es in einem Antiterrorplan, den die Brüsseler Behörde am Mittwoch vorstellte. Es solle ein Ansatz gefunden werden, der den Schutz der Privatsphäre sicherstellt und zugleich eine effektive Antwort auf Kriminalität und Terror sei.

Nach den blutigen Anschlägen der vergangenen Monate etwa in Wien, Nizza und Dresden ist der Kampf gegen den Terror in der EU wieder hoch auf der Agenda. Die neue Strategie der EU-Kommission skizziert nun einen Plan für die kommenden Jahre. Er sieht etwa mehr Forschung zu Terrorismus vor, wirbt für eine bessere Integration in die Gesellschaft – auch von radikalen ehemaligen Gefängnisinsassen –, für mehr Informationsaustausch über "ausländische Terrorkämpfer" (Foreign Terrorist Fighter) sowie einen stärkeren Schutz öffentlicher Plätze.

Besserer Schutz für kritische Infrastruktur

Viele der jüngsten Anschläge hätten auf öffentliche Plätze oder symbolische Einrichtungen abgezielt, heißt es. Auch kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser, Verkehrsknotenpunkte oder Kraftwerke müssten besser geschützt werden. Zudem solle das Mandat der EU-Polizeibehörde Europol erweitert werden. Einen entsprechenden Vorschlag legte die EU-Kommission am Mittwoch vor.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sieht durch den neuen Plan mehrere Ziele erreicht: Man baue die Fähigkeit aus, neue Bedrohungen vorherzusehen; man helfe Gemeinden, Radikalisierung zu verhindern; man gebe Städten die Mittel, öffentliche Räume zu schützen, und stelle sicher, dass effektiver auf Anschläge reagiert werde.

Kritik

Das Vorhaben, Zugriff auf Kommunikationsinhalte verschlüsselter Messenger zu bekommen, stößt bei Datenschützern und vielen IT-Experten auf Widerstand. Gerade bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die als Goldstandard für sichere Kommunikation gilt, würde die Existenz eines "Universalschlüssels" oder der Einbau einer Hintertür die Sicherheit aller Nutzer gefährden, so das Hauptargument.

Durch einen Hackerangriff oder Datenleck könnte eine solche Zugriffsmöglichkeit auch in die Hände von Cyberkriminellen fallen. Zudem würden solche Maßnahmen in Ländern mit repressiven Regierungen die Überwachung von Oppositionellen erleichtern und sie größerer Gefahr aussetzen.

Ob sich die Anbieter so einfach dazu zwingen lassen, den Zugang zu ermöglichen, steht außerdem infrage. In Russland wurde im Frühjahr 2018 über die Telekommunikationsbehörde die Blockierung des Messenger-Dienstes Telegram verordnet, nachdem sich dieser geweigert hatte, einen derartigen Zugriff einzurichten. Im vergangenen Juni hob man die Verordnung wieder auf und erklärte, dass sich Telegram-Gründer Pavel Durov zu besserer Kooperation mit den Behörden bereiterklärt hatte – allerdings ohne eine Hintertür einzubauen.

Auf technischer Ebene waren die Internetprovider mit der Blockade des Dienstes auf breiter Front allerdings gescheitert und die politische Maßnahme weitestgehend wirkungslos. (APA, red, 9.12.2020)