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Heuer wird der Friedensnobelpreis am Sitz des World Food Programme in Rom überreicht.

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Auch mit Bargeldhilfen unterstützt das WFP Menschen in Not – wie hier in einem Slum der nigerianischen Großstadt Lagos.

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So kennt die Weltöffentlichkeit die Arbeit des WFP: Verteilung von Lebensmittelsäcken im Südsudan (vor der Pandemie).

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Eigentlich sollten am Donnerstag in einer feierlichen Zeremonie die Nobelpreise vergeben werden – wie jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. Doch in Zeiten der Pandemie wird keiner der Preisträger nach Stockholm oder Oslo reisen. Zuletzt kam es dazu im Fall des Friedensnobelpreises, der in der norwegischen Hauptstadt verliehen wird, im Jahr 1976. Damals wurde der Preis für das Folgejahr "reserviert", weil kein passender Preisträger nominiert wurde. Das ist laut Statuten der Nobel-Stiftung möglich. 1977 erhielten schließlich Betty Williams und Mairead Corrigan den 1976er-Preis – für ihre Bemühungen, dem Nordirland-Konflikt ein Ende zu setzen.

Heuer entfällt nur die offizielle Zeremonie, den Preis erhält das World Food Programme (WFP), also jene Organisation der Vereinten Nationen, die sich dem Kampf gegen den Welthunger verschrieben hat. Stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nimmt Direktor David Beasley den Preis in Rom entgegen, dem Sitz der Organisation. Und die Wienerin Alina Seebacher wird zusehen – in ihrer Unterkunft in der senegalesischen Hauptstadt Dakar, wo sie im WFP-Regionalbüro arbeitet. "Der Preis gibt den rund 690 Millionen hungrigen Menschen auf der Welt eine breite Öffentlichkeit", sagt Seebacher im Gespräch mit dem STANDARD: "Und ist eine Anerkennung für die mehr als 20.000 Mitarbeiter, die an vorderster Front arbeiten."

Fehlende Schulmahlzeiten

Sie selbst ist für die Sahelzone zuständig, eine Region, die sich wie ein breites Band in ostwestliche Richtung über Afrika erstreckt und im Norden von Sahara, im Süden von der Feuchtsavanne begrenzt wird. Die Sahelzone ist ein trockenes Gebiet, in dem zu wenig Regenfälle und zu viele Dürren herrschen. Durch die Covid-19-Krise ist der Bedarf an Nahrungsmitteln und Hilfslieferungen stark angestiegen, erzählt Seebacher. Vor allem in den Städten. Denn durch die Quarantänemaßnahmen und Reisebeschränkungen kam der Verkehr zwischen urbanen und ländlichen Gebieten und somit die Versorgung mit Nahrungsmitteln de facto zum Erliegen.

Dadurch, dass vielerorts die Schulen geschlossen wurden, erhielten viele Kinder keine Schulmahlzeit – die oft auch durch das WFP zur Verfügung gestellt wird. Damit hatten Familien eine Person mehr, die sie durchfüttern mussten. Nicht in allen Ländern konnte auf Take-away umgestellt werden. Doch dort, wo es möglich war, konnten die Familien die Mahlzeiten abholen.

Nachhaltige Programme

Als Seebacher vor sechs Wochen nach Mauretanien reiste – und beim Kofferpacken vom Friedensnobelpreis erfuhr –, sah sie vor Ort in den Dörfern die Auswirkungen der Lockdowns. "Durch den eingeschränkten Güterverkehr kostet nun der Transport von einem Sack Reis auf einmal das Dreifache", sagt sie.

Vor allem mit Programmen, die den Menschen eine nachhaltige Lebensgrundlage geben sollen, will das WFP vermeiden, dass solche Krisen noch größeren Schaden anrichten. Dabei bediene man sich einer breiten Palette an Maßnahmen: "Zum einen haben wir Initiativen, damit die Böden und Felder wieder fruchtbarer werden", sagt Seebacher. "Zum anderen arbeiten wir mit schwangeren Frauen und Müttern, damit Kinder nahrhafte und ausreichend Nahrung bekommen, um gesund aufzuwachsen."

Durch Bargeld- und Nahrungsmittelhilfen soll zudem verhindert werden, dass Jugendliche und Männer ihre Dörfer oder gar das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen. Sie erhalten eine Zeitlang Unterstützung, um ihre Arbeitskraft für das Dorf einzusetzen – und eben Felder nutzbarer zu machen.

Konflikte als Hauptfaktor

Das World Food Programme schätzt, dass weltweit nach der Corona-Pandemie 270 Millionen statt bisher 135 Millionen Menschen durch den Hungertod bedroht werden. Vor allem im Jemen, in Burkina Faso, dem Nordosten Nigerias und dem Südsudan drohen akute Hungersnöte.

Dabei tragen Konflikte zu einem Großteil zur Nahrungsmittelunsicherheit bei. In einem Interview mit dem Magazin "Time" sagte WFP-Direktor Beasley, dass vor Corona 60 Prozent des Anstiegs des Welthungers durch bewaffnete Auseinandersetzungen angefacht wurden, das WFP ist zu 80 Prozent in Konfliktgebieten tätig. Seit drei Jahren steigen die Zahlen der Hungernden weltweit wieder. Ein Ende des Welthungers bis zum Jahr 2030 – wie von den Vereinten Nationen angestrebt – ist laut Beasley noch in Reichweite. Aber dafür müsse man Frieden schaffen.

Und genügend Geld sammeln. Denn bis Oktober konnte WFP erst 6,4 Milliarden US-Dollar an Spendengeldern lukrieren – dabei war das ursprüngliche Budgetziel für das heurige Jahr bei 7,45 Milliarden Dollar angesetzt. Durch die Coronakrise und den erhöhten Bedarf an Hilfen, sprach WFP von weiteren 4,9 Milliarden Dollar, das es benötige, um in allen 83 Ländern operativ zu bleiben. (Bianca Blei, 10.12.2020)