Die gefürchtete "zweite Welle" gehört zu den vielen neuen Ausdrücken, die durch die Corona-Pandemie in unseren alltäglichen Sprachgebrauch eingesickert sind. Etwa 1.000 neue Wörter und Wortverbindungen, die in Verbindung mit mit Corona stehen, seien es, konstatierte das Mannheimer Leibniz-Institut für Deutsche Sprache.

Als Alltagswendung mag "zweite Welle" neu sein, das dahinterstehende Phänomen hingegen ist es leider keineswegs: Das konnten nun Schweizer Forscher anhand der Ausbreitung der Beulenpest im Venedig des 17. Jahrhunderts rekonstruieren. Auch damals sei es zum Auftreten zweier rasch aufeinanderfolgender Wellen gekommen, wie die ETH Lausanne (EPFL) berichtet. Wie diese genau einzuordnen sind, ist aber noch nicht restlos geklärt.

Verheerende Seuche

In der schlimmsten Phase der Pestjahre 1630 und 1631 starben in Venedig 400 Menschen pro Tag an der durch das Bakterium Yersinia pestis verursachten Krankheit. Es sei zutiefst faszinierend, die epidemiologischen Kurven von Krankheitsausbrüchen vor Hunderten von Jahren zu betrachten, sagte der Epidemiologe und Letztautor der Studie, Marcel Salathe. Das Team konnte dafür auf Dokumente des venezianischen Stadtarchivs zurückgreifen, um Daten aus kalenderartigen Verzeichnissen mit Verstorbenen (sogenannte Nekrologien) und die täglichen Sterbedaten zu ermitteln.

Laut den Nekrologien kam es innerhalb dieser zwei Jahre zu mehr als 43.000 Todesfällen, die laut den Forschern größtenteils auf die Pest zurückzuführen waren. Und es zeichneten sich zwei Pest-Wellen ab: Ein erster Höhepunkt ereignete sich im Jahr 1630. Damals raffte die Krankheit pro Tag über 400 Menschen dahin. Im Jahr 1631 folgte ein zweite Welle, die zwar weniger schlimm war, aber länger andauerte, wie die Forscher im Fachmagazin "Scientific Reports" berichten.

Die Unterschiede zwischen den zwei Wellen erklären sich die Forscher damit, dass einige Todesfälle vielleicht fälschlicherweise der Pest zugeschrieben wurden – oder dass neben der Beulen- auch die Lungenpest in Venedig grassierte. Es könnte aber auch eine Verhaltensänderung der leidgeprüften Venezianer eine Rolle gespielt haben, dass sich die Epidemie abschwächte und sie letztlich eingedämmt werden konnte. (red, APA, 12. 12. 2020)