Ein Eckstandl am Hannovermarkt in der Brigittenau macht Shawarma Kebab, wie er in ganz Damaskus berühmt ist.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Shawarma der Extraklasse, in hauchdünne Fladen gewickelt, dazu selbsteingelegtes Sauergemüse und Ayran aus eigener Produktion: Dafür ist das Etablissement Shawarma Abu al Abed in der Ibn ’Asaker Street in ganz Damaskus berühmt.

Bis spät in die Nacht stellen sich Damaszener und Expats hier an – zumindest war das so, bevor der Krieg das Land ins Chaos stürzte. Mohammed Muntaser war Rechtsanwalt in Damaskus, bevor er sich 2014 nach Österreich durchschlagen konnte. Der Schmerz über die verlorene Heimat lässt ihn bis heute nicht los.

Seit vergangenem März hat er sich, gemeinsam mit seinem Landsmann und Geschäftsführer Kheireddin Aledawy (ausgebildeter Englischlehrer ...), immerhin ein kleines Stück seiner Stadt in Wien neu aufbauen können: ein Kebabstandl, das dem ungeübten Auge des Inländers auf den ersten Blick nicht viel anders ausschauen mag als zahllose andere auch, mit zwei Drehgrills, mit Fritteuse, Backofen und Plattengrill und mit fröhlich bis wehmütigem Arab-Pop aus scheppernden Boxen.

Das Standl hat er in Ehrerbietung für sein Vorbild aus der Heimat Abu Elabed genannt: "Ich versuche, dem großen Namen nach bestem Wissen gerecht zu werden."

Viele Schichten Herrlichkeit

Auf den zweiten Blick ist nämlich alles anders als hierorts gewohnt, und zwar vor allem extrem gut. Für den Hendl-Shawarma wird ausschließlich Haxlfleisch verwendet, das vor dem Schichten zwölf Stunden in einer Gewürzmischung aus Zimt, Paprika, Chili, Knoblauch und noch ein paar "geheimen" Zutaten mehr mariniert wird. Kalbfleisch wird ausschließlich aus der Schale geschnitten und mit entsprechenden Zwischenlagen aus Kalbskernfett geschichtet, soll ja saftig sein und nicht nur anständig.

Für Hendl-Shawarma wird ausschließlich Haxl-Fleisch verwendet.
Foto: beigestellt

Außerdem will Muntaser sein Standl nicht bloß als Adresse für Shawarma verstanden wissen, sondern mindestens so auch für Fatayer. Das sind gefüllte Teigtaschen und wie Pizza belegte und gebackene Fladen, die im Orient ab dem Frühstück verzehrt werden.

Mit Za’atar (der süchtig machenden Gewürzmischung aus Ysop, Sesam, Sumach und Anis), mit Muhammara (getrockneter Paradeiser-Paprika-Paste) oder mit gehacktem Kalb (wahlweise mit Gemüse oder Granatapfel-Molasse gewürzt) belegt, mit Kaskaval-Käse gefüllt oder aber, vielleicht die unwiderstehlichste Variante, um Sucuk gehüllt, die cremige, unendlich duftig gewürzte Lammwurst, die vor Zimt- und Sternanisaromen geradezu übergeht, endlos wohliger Nachhall am Gaumen.

Weil der Mann sich auskennt, überlässt er das Handwerk Spezialisten aus der alten Heimat: Ein Mann ist Bäcker, der andere hat die Kebabs über. Und es ist eine Freude, die routinierten, durchaus komplexen Handgriffe zu verfolgen, mit denen die Herrschaften sich der Sandwichfertigung ergeben.

Kalbs-Shawarma
Foto: beigestellt

Kebab geht ab

Kebab in der Pita gibt es zwar auch, wer die Magie des Ortes schmecken will, verlangt aber nach arabischem Brot. Das wird hier in zweifacher Ausführung eingesetzt: Neben dem klassischen Fladen wird außen stets noch ein zweites, bis zur Durchsichtigkeit filigranes Spitzendackerl von einem Fladen mitgewickelt.

Davor aber tunkt der Meister des Spießes das Brot kurz ins Bratfett des Kebabs, klatscht es dann gegen den Grill (hurra, Stichflamme!) und füllt dann nach strengem Reglement: Zum Hendl kommen nur milde Knoblauchpaste und in Essig gesäuerte Gurke und Rettich sowie Petersil. Dann wird stramm gewickelt und die Rolle am Plattengrill vollendet.

Was soll man sagen: Die äußere, hauchfeine Schicht wird ideal knusprig, wunderbar rauchig fettig und splittert wie ein Hauch von Zalto-Glas im Mund. Dazu das Hendl vom Grill, die cremige Sauce, der saure Knack des Eingelegten – das ist Kebab aus einer anderen Dimension, pur und kompromisslos gut, ohne Vergleich in unseren Breiten.

Kalb darf mit Tahini, mariniertem Rotkraut, Sauergemüse und Petersil ein bisserl opulenter gewickelt werden, die fettgleißend knusprige Hülle bleibt ident: auch verdammt gut, im Vergleich zum Hendl tut sich aber auch das schwer. Vor allem, weil es mit 3,50 Euro um einen ganzen Euro mehr kostet als der Kollege in Huhn. Ja, Sie haben richtig gelesen! (Severin Corti, RONDO exklusiv, 11.12.2020)

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