Heuer feiert das Hôtel du Cap-Eden-Roc an der französischen Riviera seinen 150. Geburtstag. Doch so still wie 2020 war es in dem Treffpunkt der Reichen und Schönen zwischen Cannes und Nizza noch nie. Wir nutzten die Ruhe und plauderten mit Michel Babin über aufregendere Zeiten. Der 67-jährige Chefportier arbeitet seit 45 Jahren im Luxushotel und hat sie alle begrüßt: Clint Eastwood, Jacques Chirac, Madonna.

Chefportier Michel Babin hat als Erster Kontakt zu den Gästen. Er holt sie vom Auto ab und spricht verbindliche Worte. Nur einparken muss er nicht mehr selbst.
Foto: Oetker Collection / Cap-Eden-Roc

Babin lächelt jede potenzielle Dissonanz weg. Haben Sie einmal Drogen für einen Gast besorgt? Wer hat seine Geliebte ins Hotel geschmuggelt? Der charmante Franzose tut dann so, als hätte er die Frage nicht verstanden, oder blickt einen mit entwaffnender Freundlichkeit an.

STANDARD: Monsieur Babin, Sie sind der dienstälteste Angestellte im Hôtel du Cap. Das Luxushotel ist bei Promis wegen seiner Diskretion beliebt. Wie diplomatisch müssen Sie sein?

Michel Babin: Die erste Regel lautet: sich nicht einmischen in das Leben der Gäste. Abends kommt ein Mann mit einer hübschen Frau im Arm ins Hotel, einen Tag später sitzt er mit der Ehefrau am Mittagstisch. Sie sagen nichts, halten die Klappe. Bonjour, Madame. Mehr nicht.

STANDARD: Fragen die Ehefrauen nie nach?

Babin: Das ist schon passiert. Haben Sie gestern meinen Mann gesehen? Ich antworte nur: Madame, tut mir leid, ich kann mich nicht erinnern.

STANDARD: Sie lügen also.

Babin: Nein, ich bin diskret, ich stelle mich dumm.

STANDARD: Das ist der Kern Ihrer Arbeit als Chefportier?

Babin: Nein, natürlich nicht. Ich begrüße die Gäste als Erster, wenn sie mit dem Auto eintreffen. Aber der eigentliche Job ist ein anderer: nie die Namen, die Titel und die kleinen Geschichten dahinter vergessen. Die Reihenfolge ist immer dieselbe, im ersten Jahr heißt es: Bonjour, Monsieur. Im zweiten Jahr fragen sie: Wie geht es Ihnen? Und ab dem dritten: Hi, Michel, schön, Sie zu sehen. Jedes Jahr kommen dieselben Familien in die Ferien ...

Das Hotel hat eine Stammgastquote von 80 Prozent.
Foto: Oetker Collection / Cap-Eden-Roc

STANDARD: ... das Hotel hat eine hohe Quote an Stammgästen: 80 Prozent waren schon einmal vor Ort ...

Babin: ... und aus den Kindern werden Erwachsene. Früher reisten Familien noch mit eigenem Fahrer an, mit Dienstmädchen und Sekretärin. In einigen Fällen, wenn die Familie für einen Monat gebucht hatte, besichtigte vorher sogar ein Inneneinrichter die Zimmer und prüfte das Inventar. Madame bevorzugt den Tisch lieber hier, die Vorhänge lieber in einer anderen Farbe? Alles kein Problem. Heutzutage bucht keiner mehr für solche Zeiträume.

STANDARD: Was passiert, wenn Sie einmal einen Namen vergessen?

Babin: Ich gehe in mein kleines Kabuff, in dem ich sitze. Dort führe ich ein Buch mit allen Namen, schaue nach, wer das sein könnte, lese die Geschichten, die ich mir dazu aufgeschrieben habe. Im schlimmsten Fall rufe ich die Rezeption an und frage, wer der Gast ist, der gerade mit Panamahut den Kiesweg zum Strand hinunterläuft? Und dann begrüße ich den Mann freundlich: Wie geht es Ihnen heute, Mister Smith? Der Gast ist überrascht, dass ich mir nach einem Jahr seinen Namen gemerkt habe. Ich lächle nur. Natürlich, Monsieur.

STANDARD: Diese heile Welt kennt nur eine Bedrohung: die Paparazzi.

Babin: Wenn in Cannes das Filmfestival stattfindet, ist es furchtbar. Da lauern dutzende Fotografen rund um das Hotel. Uns gehört ein Strandabschnitt, dort dürfen die Paparazzi mit ihren Booten nicht hinein. Also stellen sie sich ringsum auf die spitzen Kalksteinfelsen und machen Bilder von jedem, den sie auf der Restaurantterrasse erwischen. Besonders schlimm war es, als Madonna 1992 hier übernachtete. Nicht nur die Paparazzi belagerten uns von der Seeseite her, vor der Einfahrt am Park übernachteten hunderte junge Mädchen, kreischten "Madonna, we love you!", Tag und Nacht, wir mussten das Tor abschließen.

Die Villa Soleil, so der ursprüngliche Name des Hauses, wurde 1863 als privates Refugium für Schriftsteller erbaut.
Foto: Oetker Collection / Cap-Eden-Roc

STANDARD: Madonna versteckte sich auf der Rückbank des Wagens, Sie warfen eine Decke über sie und fuhren den Popstar dann aus dem Hotel.

Babin: Ja, ich erinnere mich gut. "In Bed With Madonna", ha ha ...

STANDARD: ... eher: auf der Rückbank mit Madonna.

Babin: Sie war eine spezielle Person, muss ich sagen. Dreimal kam sie ins Hotel, danach war sie sehr pfff ...

STANDARD: Sie schnauben gerade verächtlich.

Babin: Sehr schlechte Erziehung, die Dame. Ich sehe noch das kleine Mädchen vor mir – ein Fan –, das mit seiner Kamera ein Foto gemacht hatte. Sofort hetzte Madonna ihre Bodyguards auf sie, die nahmen ihr den Fotoapparat ab und rissen den Film aus der Kamera. Was für ein Unterschied zu Cary Grant.

STANDARD: Der Hollywoodstar übernachtete hier in den 70er-Jahren.

Babin: Ein eleganter und höflicher Herr. "Wie geht es Ihnen, Michel?" Madonna hat nicht mit dem Personal gesprochen, wir waren Luft für sie. Wenn Cary Grant bei uns wohnte, kam Grace Kelly aus Monaco vorbei, um ihn zu besuchen. Zwei Hunde an der Leine, einen eleganten Hut auf dem Kopf, eine wunderschöne Erscheinung. Sie hatte Klasse. Oder Charles Bronson, was für ein Gentleman.

STANDARD: Der Schauspieler wurde durch Filme wie "Spiel mir das Lied vom Tod" berühmt.

Babin: Er fragte mich, ob ich die Premiere seines Films auf dem Filmfestival sehen möchte. Er hätte zwei Tickets für mich. Ich musste mir nur eine Fliege und einen Smoking besorgen, dann saß ich zwei Reihen hinter den Filmstars. Am nächsten Tag kam Bronson zu mir, um mich nach meiner Meinung zu fragen.

STANDARD: Natürlich haben Sie den Film gelobt.

Babin: Aber ja. Ich bin doch kein Filmkritiker. Ich sage den Gästen, was Sie hören wollen, meine Meinung behalte ich für mich.

Bereits seit 1870 ist es ein Hotel.
Foto: Oetker Collection / Cap-Eden-Roc

STANDARD: Nicht jeder durfte bleiben. Kate Moss bekam Hausverbot, weil Sie nur im Bikini durch die Lobby ging. Würde das heute noch passieren?

Babin: Wir achten darauf, dass die Gäste anständig durch die Lobby gehen – auch nicht barfuß. Wir sind ein Haus der Oberklasse, kein Hostel. Wir wollen die Stammgäste nicht verschrecken. Kate Moss hat das nicht verstanden. Sie musste das Haus verlassen. Erinnern Sie sich an David Carradine?

STANDARD: Der Schauspieler aus "Kill Bill" starb in einem Hotel in Bangkok.

Babin: Er stieg einmal bei uns ab, organisierte in seinem Zimmer eine besondere buddhistische Zeremonie, zündete lauter Kerzen an, und am Ende brannte das Zimmer. Der Direktor schmiss ihn raus.

STANDARD: Trotzdem hat sich mit dem neuen Direktor etwas getan. Die Garderobe ist lockerer.

Babin: Oh ja, früher war es wichtig, eine Krawatte zum Abendessen zu tragen. Nach sieben Uhr änderte sich die Garderobe, zum Essen mussten die Herren lange Hosen und ein Dinner-Jacket tragen. Einmal rief eine ältere Dame bei mir an, die sich über einen jungen Amerikaner im Restaurant beschwerte: Michel, wie kann das passieren – da sitzt ein Mann am Tisch, der keine Anzugjacke trägt und Schuhe ohne Socken? Seit jenem Tag hingen Ersatzjacketts bei mir im Büro. Heute existiert diese Regel nicht mehr. Wenn ich junge Männer bitte, ein Jackett zu tragen, gucken sie mich komisch an und antworten, dass ihnen mit so einem unpraktischen Kleidungsstück zu heiß sei.

Früher war es wichtig, eine Krawatte zum Abendessen zu tragen. Heute existiert diese Regel nicht mehr.
Foto: Oetker Collection / Cap-Eden-Roc

STANDARD: Stimmt es, dass Bruce Willis einmal einen Tisch für 30 Leute angemeldet hat und dann mit 300 eine Party gefeiert hat?

Babin: Der alte Chef Hoteldirektor wütete. Unangekündigte Party die ganze Nacht, kein Drink mehr übrig in der Bar, das Personal musste bis morgens um sieben arbeiten. Na ja, solche Sachen passierten vor 30 Jahren während des Filmfestivals. Heute geht das gar nicht mehr. Bodyguards würden Sie aufhalten: Wo wollen Sie hin? Mit wem sind Sie hier? Welches Zimmer haben Sie reserviert? Tut mir leid, Madame, ich muss Sie bitten, das Haus zu verlassen. Die Atmosphäre ist ganz anders geworden.

STANDARD: Lange Zeit waren Sie auch für den Fuhrpark der Gäste verantwortlich. Welche Autos fuhren bei Ihnen vor?

Babin: Bentley, Ferrari, Rolls-Royce, Maserati. Heute fliegen die Gäste nach Nizza und buchen sich dort einen Chauffeur, manchmal ein kleines Auto.

STANDARD: Es muss schlimm gewesen sein, als der Regisseur Lars von Trier 2003 dann mit einem gewöhnlichen Wohnmobil anreiste.

Babin: Er hat es allerdings vorher angemeldet. Da er unter Flugangst leidet, kann er kein Flugzeug nehmen. Ich habe das Wohnmobil auf dem Parkplatz für die Angestellten abgestellt. Manchmal hat Lars von Trier darin geschlafen, aber das Zimmer hat er trotzdem bezahlt. Roger Moore besaß in der Nähe von Antibes eine Villa, kam aber jeden Tag, um bei uns Tennis zu spielen. Eines Tages fuhr er mit seinem blauen Rolls-Royce vor, stieg aus und stöhnte: Michel, sagen Sie bloß niemanden, dass 007 Rückenprobleme hat.

STANDARD: Neben den Fahrgewohnheiten hat sich noch etwas verändert: der Exzess. Früher wurde mehr gesoffen als heute.

Babin: Johnny Weissmüller kam in die Bar und trank eine Flasche Whiskey pro Tag. Bitte schön, Monsieur, kein Problem. Und dann stand er an der Theke und imitierte seinen berühmten Tarzan-Schrei. Heute achten die Schauspieler viel mehr auf ihre Gesundheit, auf ihre Figur, darauf, was ihr Arzt sagt. Bloß keine Herzprobleme! Niemand raucht mehr. Nicht so wie Bill Cosby. Über viele Jahre hinweg machte er mit seinen Kindern Urlaub bei uns. Jeden Tag wanderte er zehn Kilometer und belohnte sich danach mit einer fetten Zigarre auf der Terrasse. (Ulf Lippitz, RONDO exklusiv, 28.12.2020)