Wie Swarovski geführt wird, regelt auch eine rund 50 Jahre alte Familienverfassung. Der neue Chef des Tiroler Kristallkonzerns, Robert Buchbauer, will die Unternehmensstrukturen ändern.

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Die Gesellschafterversammlung vom Mittwoch war mit Spannung erwartet worden, denn beim Tiroler Glitzerkonzern – oder genauer gesagt: innerhalb der Großfamilie Swarovski – tobt ein wilder Richtungsstreit, seit der neue Chef Robert Buchbauer die Zügel in der Hand hält. Während dieser den traditionellen Standort Wattens redimensioniert – insgesamt 1.600 von derzeit noch 4.600 Stellen werden bis Ende 2020 abgebaut –, versucht er gleichzeitig, dem Unternehmen effizientere Strukturen zu verpassen. Es soll führbarer gemacht werden, heißt es.

Während sich der neue "Stamm Manfred" – die Swarovski-Familie ist in drei Stämme unterteilt, die nach den Söhnen des Firmengründers Daniel Swarovski benannt sind; der Stamm Manfred hat sich zuletzt vom Stamm Fritz abgespaltet – zuletzt sogar juristisch gegen die Pläne Buchbauers gewehrt hatte, konnte dieser am Mittwoch einen Etappensieg vermelden. Nicht nur trat Helmut Swarovski vom besagten oppositionellen Stamm am Dienstag von allen Funktionen im Swarovski-Konzern zurück – Buchbauer wollte ihn ohnehin von der Gesellschafterversammlung absetzten lassen –, wird nun nach Angaben des Unternehmens auch seine Position nicht mit Christoph Swarovski nachbesetzt. Das war ursprünglich gemeldet worden. Der Tyrolit-Chef und Präsident der Tiroler Industriellenvereinigung, Christoph Swarovski, gehört demselben Stamm an wie Helmut Swarovski. Für den Stamm Manfred, zu dem unter anderem auch Marketing-Chefin Nadja Swarovski und Fernsehmoderatorin Victoria Swarovski gehören, bedeutet dies einen weiteren Verlust an Einfluss.

Helmut Swarovski (links) wird sich nach 50 Jahren aus der Konzernführung zurückziehen, hieß es am Dienstag. Auch hieß es, dass Tyrolit-Chef Christoph Swarovski sein Nachfolger würde. Vonseiten der Swarovski-Führung dementierte man dies am Mittwoch.
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Der mächtige Beirat der D. Swarovski KG besteht also bis auf weiteres aus Marina Giori-Lhota, Monika Schiestl-Swarovski, Markus Langes-Swarovski, Mathias Margreiter und Robert Buchbauer. Karl-Heinz Grassers Schwiegermutter, Giori-Lhota, folgt Helmut S. als Vorsitzende des Familiengremiums nach. Sie gehört dem Stamm Alfred an.

Buchbauer erfreut

Der Swarovski-Chef zeigte sich in einer Aussendung über die Ergebnisse der Gesellschafterversammlung erfreut. Es seien wichtige Weichen gestellt worden. "Notwendige Formalakte wie Firmenbucheintragungen et cetera können nun zügig realisiert werden", sagte er mit Blick auf den Vollzug seiner Strukturreform. Diese sieht vor, dass die Schweizer Holding der Familie mit mehr als 80 Prozent der Anteile in die D. Swarovski KG einsteigt.

Die Kapitalerhöhung würde die Stimmrechte – und damit die Macht im Konzern – zugunsten der Holding verändern, an deren Spitze ebenfalls Buchbauer steht. Außerdem plant der Swarovski-Chef eine alle Beteiligungen der Familienmitglieder umfassende Familienholding mit Sitz in Wattens. Insofern würde niemand enteignet, heißt es. Alle Anteile blieben erhalten. Allerdings würden die Anteile verwässert, so die Kritik des Stamms Manfred, der sich auf Rechtsgutachten hochdekorierter Juristen stützt. Die Beschlüsse der Gesellschafter zur Strukturreform seien aber bereits rechtswirksam, betont man vonseiten der Konzernspitze.

Wirtschaftliche Neuausrichtung

Dass Buchbauer die wirtschaftliche Neuausrichtung forcieren will, ist auch der Corona-Pandemie geschuldet. Im März wurden 90 Prozent der Geschäfte geschlossen, in denen die geschliffene Glitzerware weltweit verkauft wird. Der Konzern, der 2019 noch 3,5 Milliarden Euro umgesetzt hat, rechnet für heuer mit einem Minus von 30 Prozent.

Buchbauer will deshalb das in Wattens angesiedelte Komponentengeschäft – das betrifft die Steine, die nicht an Konsumenten, sondern an Unternehmen weiterverkauft werden – redimensionieren. Es sei schlicht nicht profitabel – schon seit langem nicht. Aber auch die Zusammenlegung von Abteilungen soll den Betrieb effizienter machen. So gab es im Konzern vier unabhängige Marketingabteilungen, die man zusammengelegt habe. Weltweit würde man auch diverse Shops in den kommenden Monaten auf den Prüfstand stellen, heißt es. Im gesamten Konzern, der rund 30.000 Menschen beschäftigt, wurden 6.000 Mitarbeiter abgebaut.

Schmerzhafter Prozess

Geht es nach Buchbauer, will Swarovski künftig betuchtere Kunden ansprechen. Dort seien die Margen. Man versuche konsequent im gehobeneren Preissegment zu wachsen, sagt Buchbauer, der aber auch weiß: "Der aktuell laufende Transformationsprozess ist schmerzhaft, und wenn es um den Abbau von Mitarbeitern geht, für niemanden ein freudvolles Unterfangen. Aber dieser Weg muss gegangen werden, um die Krise überwinden zu können."

Noch ist der Transformationsprozess aber nicht vollzogen. Buchbauers erster Versuch, die D. Swarovski KG in die Schweizer Holding einzubringen, wurde von den Gesellschaftern niedergestimmt. Für die nunmehrige Variante, wonach die Holding in die Wattener Firma einsteigt, hatten sich rund 80 Prozent der Gesellschafter ausgesprochen. Laut Buchbauer reicht das. Laut Stamm Manfred nicht. Die juristischen Streitigkeiten laufen. Und in der Familie herrscht alles andere als Frieden, wie Sie hier im STANDARD ausführlich nachlesen können. (luis, 9.12.2020)