Philipp Hanich alias Bruch.

Foto: Anna Pühringer

Abgesehen von neuen Erkenntnissen im Bereich des Galgenhumors hatte die Wissenschaftssparte Gelotologie heuer nur wenig zu bieten. Die Lehre von den physischen und psychischen Auswirkungen des Lachens schreit allerdings gegenwärtig mehr denn je nach einer ehebaldigen Umsetzung in der Praxis. Eine bewährte Taktik, Gründe für das gesunde Lachen in einer unwirtlichen Umgebung zu finden, ist jene, sich selbst auf die Schaufel zu nehmen. Die klügste Form der Züchtigung ist die Selbstbezichtigung.

Dafür nimmt der in Wien lebende bayerische Musiker und bildende Künstler Philipp Hanich nicht als erster Mensch in der Kunstgeschichte die Rolle des Narren ein. Sein neues, viertes, unter dem Projektnamen Bruch erschienenes Album titelt programmatisch mit The Fool. Nach der Vorgängerarbeit The Lottery von 2016 hat sich Hanich ziemlich lange Zeit gelassen, um hier auf insgesamt 14 Songs vor allem auch autobiografisch vorzugehen.

CUT SURFACE

Abgesehen von der mit Grabesstimme vorgetragenen, mit spitzbübischem Pathos langsam das Herz erweiternden Ballade Gelotologie lauten die Songtitel etwa The Singer,The Painter oder The Sinner. Dementsprechend fest sind die Lieder von The Fool auch in archetypischen Bildern der Populärkultur verankert. Sie präsentieren lustvoll historisch vorgegebene Ausdrucksmöglichkeiten mit unerwarteten Brüchen, Rissen und Spannungen.

The Painter etwa verneigt sich zwar eindeutig vor dem stoischen Beat der Art-Punks Suicide aus dem New York der 1970er-Jahre. Wir hören krude Drumbox-Programmierung und Sparsamkeit in der mit vorsintflutlichem Handtaschen-Synthesizer unternommenen Ausgestaltung der Songs. Allerdings wird dem Lied mit brummigem selbstironischem Gesang tief im Hallraum und zärtlichen Uhs und Ahs statt breitbeinigem Testosteron-Überschuss die Aggressivität des Originals entzogen: "I paint birds!"

Die Welt will betrogen sein

Dazu wiederholt eine weibliche Roboterstimme emotionslos die Textzeilen des gockelnden Sängers. Sie saugt dieser an sich hochdramatischen Rock-’n’-Roll-Implosion den letzten Rest Pathos weg. Keine Sorge, die verbleibende Leere, die von Hanich besungene heiße Luft, die wir in dieser Welt einander gern verkaufen, wird notfalls mit Besänftigungsmitteln gefüllt: "I was once a happy drinker, and I drank every night", könnte bei Hanichs Kellerkindstimme aber genauso gut "heavy drinker" heißen. Das macht den Reiz dieser Musik aus.

Brüch - Topic

Im Gegensatz zum früheren repetitiven Gitarrenrock von Bruch geht Hanich auf The Fool nun mehr in Richtung Pop. Altvordere Vergleichsgrößen im Grundelstimmen- und Bekenntnisschlagersektor wie Lee Hazlewood oder Johnny Cash hätten damals wahrscheinlich auch lieber wie deren Zeitgenosse Roy Orbison gesungen. Dass sich das nicht ausgeht, macht uns glücklich. Philipp Hanich malt gern Vögel. Jeder Mensch sollte einen Vogel haben. Sich zum Narren machen ist gut. Fool the Fool. Die Menschheit will betrogen sein. (Christian Schachinger, 10.12.2020)