Homeschooling war beziehungsweise ist für alle Beteiligten eine sehr nervenaufreibende Angelegenheit.

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Kinder verbringen ohnehin sehr viel Zeit mit dem Smartphone, Classninjas versucht ihnen über diesen Weg Mathe beizubringen.

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Karim Saad will in den Beispielen realitätsnahe Bezüge herstellen: Im Februar erklärte Classninjas anhand eines Videos, wie schnell sich der Orkan Sabine bewegt.

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Wien – Bei der Punkt-vor-Strich-Regel und dem Satz des Pythagoras fühlen sich viele Eltern noch sicher, bei Integral- oder Wahrscheinlichkeitsrechnungen schaut es schnell einmal anders aus. Das Homeschooling in der Krise führte Eltern im ganzen Land aber oft zwangsweise auf (mittlerweile) unbekanntes Terrain. Aus diesem Grund hat das Wiener Start-up Classninjas das eigene Geschäftsfeld erweitert.

Das Unternehmen betreibt eine gleichnamige Plattform, auf der Zehn- bis Vierzehnjährigen spielerisch Mathematik nähergebracht wird. Seit rund drei Wochen können aber auch persönliche Nachhilfestunden gebucht werden, und das Angebot richtet sich an Schüler aller Schulstufen. Nicht nur die Jugendlichen sollen profitieren, sondern auch die Eltern entlastet werden.

Initialzündung Corona

"Die Idee hatten wir bereits vor einem Jahr, Corona hat den nötigen Schubs gegeben, uns weiterzuentwickeln", sagt Geschäftsführer und Gründer Karim Saad im Gespräch mit dem STANDARD. Wie funktioniert das? Unter classninjasclub.com bucht man eine kostenlose Probestunde, und via Webcam wird gemeinsam mit einem Mathe-Coach ein Lehrplan erarbeitet. Die Nachhilfeeinheiten dauern 45 Minuten und richten sich immer nur an einen Schüler. Weitere Stunden gibt es dann ab 14,90 Euro. Ein Kampfpreis, wie Saad sagt. Aber als neuer Player müsse man sich abheben.

Auf der Ursprungsplattform Classninjas kosten die Videos, Übungen und Quizzes nichts – mit einem Upgrade auf die Bezahlversion (0,99 Euro pro Monat) gibt es allerdings auch Testsimulationen.

Classninjas

Suche nach Coaches

Aktuell beschäftigt Classninjas drei Coaches, zwei mit Unterrichtserfahrung und eine "zahlenbegeisterte" Physikstudentin, sagt Saad. Das Angebot würde besser angenommen als erwartet, meint er. Deren Stunden seien sofort ausgebucht gewesen. Aufmerksamkeit für die 2019 auf dem Markt vorgestellte Plattform ist gegeben, auf Tiktok zum Beispiel hat Classninjas mehr als 220.000 Follower. "Die größte Herausforderung momentan ist, neue Coaches zu finden. Plötzlich wollten so viele in diesen Markt hinein, und gegen die arrivierten Institutionen kommt man nicht leicht an." Wie viel Geld genau für die Coaches überbleibt, verrät der 37-Jährige nicht. Das Start-up steige im Verhältnis jedoch klar schlechter aus.

Die Krise hat aber noch ein anderes Problem aufgezeigt. Viele Schüler waren zu Hause schwer bis gar nicht zu erreichen, weil es an der nötigen Infrastruktur scheitert(e). Ein Thema, mit dem sich dann auch die Regierung auseinandersetzte.

Millionen für Digitalisierungsschub

Für einen Digitalisierungsschub in den heimischen Schulen will die Bundesregierung ordentlich Geld lockermachen. Das Bildungsbudget steigt im kommenden Jahr um knapp 600 Millionen Euro auf 9,8 Milliarden Euro. Den größten Posten bei den neuen Schwerpunktsetzungen macht aber der im Frühjahr präsentierte Acht-Punkte-Plan zur Digitalisierung aus. Schon 2021 sollen dafür 235 Millionen Euro ausgegeben werden – vor allem für die Ausstattung der Schüler mit Laptops oder Tablets.

Gleich im ersten Jahr sollen Schüler der fünften und sechsten Schulstufe gegen einen sozial gestaffelten Selbstbehalt die digitalen Endgeräte erhalten. Der Classninjas-Gründer lobt die Bereitschaft, dieses Geld in die Hand zu nehmen. Er kritisiert jedoch, dass das Geld hauptsächlich an große Player aus dem Silicon Valley fließe. Überdies reiche es nicht, einfach alle mit Laptops und Tablets auszustatten, es brauche einen Plan.

Angst vor dem Davor

Karim Saad bietet Mathematikeinheiten an, obwohl er das Schulfach gehasst hat. Oder gerade deshalb: Er war selbst ein schlechter Schüler und möchte deswegen einen anderen Lernansatz fördern. Seine größte Angst ist, dass nach der Krise alles so wird, wie es war. "Corona brachte einen Paradigmenwechsel, alle haben gesehen, dass mit Distance-Learning unglaublich viel möglich ist." Lagerte man einen Teil aus und ließe die Kinder mehr über Online-Angebote lernen, bliebe in der Schule mehr Zeit für andere Dinge: politische Inhalte oder den Umgang mit Medien zum Beispiel. Das sei momentan oft nicht möglich, weil Lehrer den Stoff durchbringen müssen.

Millionenschwerer Markt

Es braucht keine große volkswirtschaftliche Analyse, um zu verstehen, dass Lernen ein millionenschwerer Markt ist. Das hat auch die österreichische Investmentfirma Round 2 Capital erkannt und orientiert sich diesbezüglich auch im Ausland. Am Donnerstag gab der Fonds bekannt, einen siebenstelligen Betrag in das Schweizer Ed-Tech-Unternehmen Avallain zu investieren – die Schweizer entwickeln Lösungen für digitale Bildung. Round 2 Capital ist kein klassischer Risikokapitalgeber. Nach einem Investment werden keine Unternehmensanteile erworben, sondern eine Beteiligung am Umsatz. Im Start-up-Sprech nennt sich das "revenue-based financing". (Andreas Danzer, 10.12.2020)