Es wäre klüger gewesen, die Massentests nicht am Ende des harten Lockdowns zu machen, sondern bei höheren Infektionszahlen, sagt der Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien.

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In einem Punkt sind sich Experten bei den Antigenmassentests einig: Negative Ergebnisse können ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Ungünstig ist auch die geringe Beteiligung und dass nicht mehrmals getestet wird. Dazu kommt noch, dass die Schnelltests nicht zu 100 Prozent verlässlich sind und fehlerhaft entnommene Nasenabstriche ebenfalls Risiken bergen.

Im Zuge der Massentests in Tirol stellte sich heraus, dass ein Drittel der positiven Antigentests falsch-positiv war. Überprüft wurde das mittels eines anschließenden PCR-Tests. Knapp 400 der 620 positiven Antigentestungen seien bestätigt worden. Bei rund einem Drittel konnte "schließlich keine Corona-Infektion festgestellt und damit Entwarnung gegeben werden", berichtete Elmar Rizzoli, Projektleiter der Aktion "Tirol testet".

Eine Momentaufnahme

Dabei sind verlässliche Ergebnisse das wichtigste Kriterium für jeden Test in der Medizin und besonders in der Pandemiekontrolle, bei der theoretisch Millionen von Menschen getestet werden. Es gibt zwei Gütekriterien für diese Verlässlichkeit. Einerseits die Spezifität: Sie gibt Auskunft darüber, ob alle gesunden getesteten Menschen auch als Gesunde erkannt werden. Zum anderen die Sensitivität: Sie zeigt an, ob alle Kranken auch als Kranke erkannt werden.

Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien rückt die Zahlen der falsch-positiven Tests etwas zurecht: "Man darf diese falsch-positiven Ergebnisse der Schnelltests nicht in erster Linie in Relation zu den tatsächlich positiven Tests sehen, sondern muss sie in Relation zur der Gesamtzahl der Getesteten stellen." Aufgrund des harten Lockdowns ermittelten die Schnelltests bisher eine relativ niedrige Quote an positiv Getesteten von unter 0,5 Prozent. Aber je geringer dieser Anteil ist, desto höher ist der Anteil der falsch-positiven im Vergleich zu den tatsächlich positiven PCR-Tests.

Wellenbrecher

Klüger wäre es entsprechend gewesen, die Massentests nicht am Ende des harten Lockdowns zu machen, sondern bei höheren Infektionszahlen. "Da wirken die Massentests, vorausgesetzt, mehr als 50 Prozent nehmen daran teil." Dann seien sie besonders gut als Wellenbrecher geeignet. Was aber ist mit den falsch-negativen Tests? Die Antigentests schlagen erst bei einer Viruslast von mehr als 50 Millionen Viruskopien pro Milliliter positiv an. Daraus lässt sich errechnen, dass etwa 3,5 Prozent falsch-negativ sind oder sieben von 200 infizierten Personen. Sie können also sehr wohl mit Covid-19 infiziert sein, erfahren es aber bei diesem Test nicht.

Auch die Abstrichentnahme aus dem Nasenrachen darf laut Ärztekammer Steiermark nicht unterschätzt werden, da die Sensitivität von Antigentests von der Menge enthaltener Virusproteine abhängig ist. "Abstriche durch nicht geschultes Personal bergen sowohl die Gefahr falsch-negativer Ergebnisse als auch das Risiko von Verletzungen von Nasenstrukturen und Schädelbasis", betont Verena Niederberger-Leppin, HNO-Fachärztin in Wien.

Trügerische Sicherheit

Sich in falscher Sicherheit zu wiegen könnte bei Betroffenen bewirken, dass sie verstärkt Kontakte möglicherweise auch mit Personen aus vulnerablen Gruppen haben und diese unwissentlich anstecken. Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter warnt deshalb eindringlich davor, einen negativen Massentest als Garantie zu sehen, um sorglose Weihnachtsfeiern in der Familie oder im Freundeskreis zu legitimieren. "Es muss allen klar sein, was der Test bedeutet: Ich bin an diesem Tag nicht infektiös, aber der Test sagt nichts über den Folgetag aus", betont er.

Das negative Ergebnis eines Antigentests sei kein Freibrief, sich so zu verhalten, als sei man nicht infektiös. "Es gibt kein hundertprozentig sicheres Ergebnis, und außerdem kann ich mich nach dem Test noch am selben Tag anstecken." (Julia Palmai, 9.12.2020)