Miss Orange: Maja Vukoje porträtiert tropische Früchte als laszive Stillleben.
Foto: Roland Krauss, Bildrecht, Wien

Hebt man den Blick vom Schild mit den Busabfahrtszeiten, sieht man direkt in das Schaufenster eines Geschäfts in Wien-Brigittenau. "Gesellschaft für Energie, Arbeit und Kunst", steht da. Im Inneren ist es dunkel, die Vitrine beleuchtet. Vor sich in dichte Falten legenden Vorhängen sind Malerei, Kunstobjekte und Fotografie zu sehen.

Das lebensgroße Trompe-l’œil, das Maja Vukoje aus realen sowie fiktiven Details bestückt hat, ist jetzt in ihrer ersten großen Personale zu sehen. Mit acht Metern Breite ist es das größte Bild in der Schau Auf Kante im Belvedere 21. In das tatsächlich existierende Geschäft darin setzte Vukoje Verweise auf Künstler wie Willem de Kooning, Max Ernst – und sich selbst hinein. Wie auf einer Bühne taumeln diese zwischen innen und außen.

Es ist nur eine von 100 gezeigten Arbeiten, verrät aber viel über das Schaffen der Malerin, die bei Maria Lassnig und Christian Ludwig Attersee studiert hat. Die 1969 in Düsseldorf geborene, in Belgrad aufgewachsene und seit 1988 in Wien lebende Künstlerin spielt nicht nur mit diversen Techniken der Malerei, sondern stets mit Bezügen zur Kunstgeschichte. Alles bei Vukoje ist Referenz.

Postkoloniale Handeslwaren: Vukoje zitiert Albers Quadrate mit Zucker auf Jute.
Foto: Roland Krauss, Bildrecht, Wien

Hommage an Albers

Am besten wird das bei ihrer Hommage an die ikonische Serie Homage to the Square von Josef Albers ersichtlich. Vukoje nimmt die Idee der quadratischen Abstufungen von Proportion und Farbe auf, setzt sie aber – anders als Albers – mit der Außenwelt in Beziehung.

So entwarf Vukoje für die Stirnseiten des Glaspavillons des Museums eine Rauminstallation aus industriell gefärbten Jutebahnen sowie davor platzierten Aufstellern, die die Formen der Architektur aufnehmen und Albers Quadrate in den Raum übersetzen. Das Fenster wird zum Bild, das Bild renaissancehaft zum Fenster.

Direkter zitiert Vukoje Albers Quadrate aber in einer ganzen Serie, deren Werke sie mit Albersindia oder Albershonduras betitelt: Aufgeschnittene Jutesäcke werden zur Leinwand, Zucker, Kaffee und Kakao formen sich zu flächigen Kompositionen. Mit den Rohstoffen verschiebt sich nicht nur die Bedeutung, sondern auch der Horizont der Malerei. Die Realität bricht in das Bild hinein. Plötzlich geht es um politisch-ökonomische, gesellschaftliche und postkoloniale Debatten. Material wird zum Motiv – und vice versa.

Die Ebenen verschwimmen: Das Stützkreuz des Rahmens dient als Gerüst und greift zugleich ins Motiv ein.
Foto: Roland Krauss, Bildrecht, Wien

Readymade und Schoko

Seit 2014 ist Jute fester Bestandteil Vukojes Arbeit. Den grobmaschigen, manchmal schon bedruckten Stoff – den Vukoje als Readymade bezeichnet – bleicht, bemalt, beklebt und nutzt Vukoje sogar als Sieb, durch das sie von hinten Farbe drückt. Das hölzerne Stützkreuz des Rahmens wird oft zum sichtbaren Skelett, das auch als subtiles Gerüst in das Bildmotiv eingreift.

Auch andere exotische Handelswaren werden zum Bild-Zentrum. Ähnlich niederländischen Stillleben werden da Orangen, Kiwis oder Avocados mittig aufgespießt und genüsslich aufgeschält – eine Referenz auf nackte Frauenkörper in der Kunst. Daneben fragen Nespresso-Kapseln oder Merci-Schokoriegel zynisch nach der Herkunft ihrer Zutaten.

Die von Luisa Ziaja kuratierte Ausstellung geht zum Glück nicht chronologisch vor, sondern entwirft einen ganz eigenen Duktus für das in sich verwobene – durchaus komplexe – Werk Vukojes. Jute-Bahnen sind über Wände geworfen, setzen sich auf der anderen Seite fort oder schlängeln sich um die Ecke. Abstrakt trifft hyperrealistisch, die Ebenen verschwimmen – was echt ist und was nicht, wird zur überflüssigen Frage. (Katharina Rustler, 9.12.2020)