Schon jetzt gibt es doppelt so viele Influenza-Impfungen wie in der vorigen Saison. Und es gibt noch Impfstoffe, Engpässe sind den Behörden nicht bekannt.

Foto: istockphoto

Es ist eine ziemlich zeitgemäße Art, eine Impfung zu erhalten. Zu Beginn der Erkältungssaison, die diesmal schon Anfang September startete, war die Nachfrage nach Influenza-Impfstoffen groß. In der Stadt Wien lief die Gratis-Impfaktion an, und das Neue daran war, dass man sich vorab über www.impfservice.wien einen Termin für eines der 13 Impfzentren der Stadt und der Österreichischen Gesundheitskasse ausmachen musste.

"Das haben 80 Prozent geschafft", sagt Karin Spacek. Sie leitete die Impfstrategie der Stadt Wien und kann berichten, dass 420.000 Dosen gegen Influenza verimpft sind. Die Stadt hatte sich frühzeitig mit Impfstoff eingedeckt. Im Rahmen der Gratisaktion erfolgten 115.000 Impfungen über die Zentren, 155.000 Dosen wurden in Arztpraxen verabreicht und 150.000 über Krankenhäuser und soziale Einrichtungen.

Verimpft in Wien

"Die Impfzentren wurden sehr gut von der Bevölkerung angenommen, wir hatten bislang so gut wie keine Beschwerden, auch Termine wurden nur sehr selten abgesagt", so Spacek. Die Einrichtung einer telefonische Impfanmeldung zusätzlich zur Onlineregistrierung sei für alle wenig Internetaffinen auch wichtig gewesen, sie wurde von 20 Prozent genutzt. Im Durchschnitt waren die Leute, die sich in Wien gegen das Influenzavirus gewappnet haben, 50 Jahre alt. Die genaue Altersverteilung: Die 30- bis 60-Jährigen machten 45 Prozent aus, jene über dem 60. Lebensjahr weitere 40 Prozent. Von den unter 30-Jährigen haben sich nur 15 Prozent für die Influenza-Impfung entschieden.

Beim Lokalaugenschein bestätigt sich: Alles klappt. Zum einen hatte die zweimalige Erinnerung per E-Mail und SMS eine Woche und einen Tag davor den Impftermin fix im Gedächtnis verankert. Beim Eintreffen im Impfzentrum Town Town gibt es eine Begrüßung, die tatsächlich persönlich ist. Der junge Zivildiener gibt jedem das Gefühl, willkommen zu sein. Es sind kaum Menschen im Wartebereich, in dem sich auch niemand aufhält, weil die Termine superpünktlich stattfinden. 9.45 Uhr war angesetzt, um 9.48 Uhr kremple ich meinen Ärmel hinauf und bin um 9.50 Uhr wieder draußen.

Influenza bleibt aus

Die technische Basis für diese Abwicklung ist ein IT-System, das bereits vor der Corona-Pandemie fertig war und sich in dieser schwierigen Phase bewährt hat. "Wir werden damit nahtlos in die Covid-Impfung übergehen", vermutet Spacek, die dabei für die Stadt Wien spricht.

Tatsächlich dürfte sich die Influenza-Durchimpfungsrate in Österreich von acht auf circa 20 Prozent gesteigert haben. Allerdings: "Es gibt in Österreich bisher noch keinen einzigen, registrierten Fall von Influenza", sagt Monika Redlberger-Fritz, Leiterin des Nationalen Referenzlabors für die Erfassung und Überwachung von Influenza-Virusinfektionen. Auch europaweit gebe es nur sehr vereinzelt Meldungen. Als Virologin an der Medizinischen Universität Wien weiß sie, dass das aber aller Voraussicht nach auch erst Ende Jänner bis Mitte Februar der Fall sein wird.

Oder auch nicht. Denn das Ausbleiben der Grippe könnte auch unmittelbar mit der Corona-Pandemie zusammenhängen. Das Influenzavirus ist auf der Südhalbkugel der Erde, also dort, wo es jedes Jahr herkommt, heuer nahezu ausgeblieben. "Es hat nicht zirkuliert, weil die Hygienevorschriften und Abstandsregeln in Australien extrem stark waren", so Redlberger-Fritz. In den Sentinel-Statistiken der Epidemiologen zeigen sich deshalb auch ausschließlich grippale Infekte, also etwa harmlose Rhinoviren, die nur Schnupfen auslösen.

Kinder als Multiplikatoren für Influenza

Zudem sei die Reisetätigkeit rund um den Erdball extrem eingeschränkt. "Reisen tragen stark zur Ausbreitung der Influenza bei", bestätigt Redlberger-Fritz, die damit rechnet, dass die Influenza trotzdem noch im Februar und März Fahrt aufnehmen wird. "Im Anmeldezentrum der Stadt Wien sind noch Impfslots frei", sagt Spacek, deshalb sei auch die Notwendigkeit von Wartelisten nicht gegeben. Eine Rundfrage der Nachrichtenagentur APA hat ergeben, dass die Versorgung in Wien, Salzburg und Tirol zufriedenstellend ist. Bedarf gibt es in Kärnten und im Burgenland.

Im Gegensatz zum Coronavirus spielen Kinder bei der Influenza eine große Rolle. Zum einen sind sie die Hauptüberträger des Virus auf andere Bevölkerungsgruppen, zum anderen "gehen 60 Prozent der Spitalsaufenthalte wegen schwerer Influenza-Verläufe auf Säuglinge, Kleinkinder oder Menschen ab dem 60. Lebensjahr zurück", sagt die Wiener Kinderärztin und rät Eltern dringend, ihre Kinder impfen zu lassen. 2017/18 starben in Österreich neun Kinder an Influenza, 2018/19 fünf. Allein schon durch die Kinderimpfung kann ein guter Gemeinschaftsschutz erreicht werden, wie eine kanadische Studie zeigt. Eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent bei Kindern führte zu einer Reduktion von Influenza-Erkrankungen um 61 Prozent in der nicht geimpften Erwachsenenbevölkerung.

Am privaten Markt

Wenn es um die Verteilung der Grippe-Impfstoffe geht, ist ein aktueller Überblick schwierig. Denn die Zahl, wie viel Grippeimpfstoff verkauft wurde, wird vom Verband der Impfstoffhersteller immer erst am Ende der Saison erhoben. An der Impffreudigkeit der Bevölkerung versucht man auch den Bedarf für das nächste Jahr abzuschätzen.

"Es gab keine zentrale Verteilungsstelle für alle Influenza-Impfstoffe in Österreich", sagt Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung für Impfwesen im Gesundheitsministerium. Einen Überblick hat sie jedoch über die vom Bund eingekauften und bereits ausgelieferten 250.000 Dosen Kinderimpfstoffe. "Wir hoffen, dass der Großteil dieser Dosen bereits verimpft wurde." Weitere 100.000 Dosen der Impfung als Nasenspray folgen kurz vor Weihnachten. Die 100.000 Dosen für Personen in Alten- und Pflegeheimen wurden ebenfalls bereits fast zur Gänze abgerufen, also bestellt.

Im Allgemeinen werden die Influenza-Impfstoffe österreichweit lokal sehr unterschiedlich und über den Privatmarkt verteilt. Einblick hat deshalb der pharmazeutische Großhandel Phago. Dort weiß man: 367.000 Influenza-Impfdosen wurden bislang verkauft, das ist schon jetzt um vieles mehr als in der gesamten vergangenen Saison. "Der Bedarf ist höher als die Nachfrage", bestätigt Phago-Generalsekretärin Monika Vögele, "die Bestellungen übersteigen das, was wir zur Verfügung stellen können." Die gute Nachricht: Mitte Dezember werden 97.000 Influenza-Impfdosen erwartet, die man auch umgehend ausliefern wird.

Noch keine Übersicht

Parallel zu den Bestellungen gibt es laut Vögele aber auch Stornierungen. Viele hätten die Gratisimpfaktionen in Anspruch genommen und bestellte Impfstoffe nicht abgeholt. Die andere Variante: Es gibt auch viele Leute, die dieses Jahr in mehreren Apotheken Doppelbestellungen aufgegeben und den Impfstoff dann nicht abgeholt haben. Eine zentrale Übersicht über die Verfügbarkeiten fehlt allerdings. "Es gibt keine Transparenz", sagt Vögele, und keine zentrale Stelle, wo solche Informationen erfasst würden. Sie hofft, dass sich in der nächsten Saison hier einiges zum Besseren verändern wird.

Auch Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Medizinmarktaufsicht, kann derzeit von keinen Engpässen berichten. "Mein Wissenstand ist, dass es genug Impfstoff gibt und noch weitere Lieferungen im Lauf des Dezembers und im Jänner 2021 erwartet werden", sagt sie. Beschwerden hätten die Behörden einstweilen nicht erreicht. In der Phago hofft man vor allem, dass all die bestellten Impfdosen auch tatsächlich im Lauf der nächsten Monate verabreicht werden. Ein Risiko, das niemand eingehen will, ist, auf den Impfstoffen sitzenzubleiben. Influenza-Impfstoffe werden je nach Mutation des Influenzavirus neu zusammengestellt und neu produziert. Der Impfstoff aus der vorigen Saison muss deshalb entsorgt werden, und das will niemand riskieren. (Karin Pollack, 11.12.2020)