"Ich bin nicht unglücklich genug, um Betroffenheitsliteratur zu produzieren", sagt Christopher Just.

Foto: Raphael Just

G'scheit-deppert im besten Sinne wäre ein mögliches Prädikat für Christopher Justs neuen und dritten Roman Der Moddetektiv besiegt Corona. Mit viel Wortwitz und popkultureller Tiefenschärfe schickt der Wiener Szenezampano seinen aus der Zeit gefallenen Ermittler los, um dem neuartigen Virus Einhalt zu gebieten. Dass er es schafft, macht ja bereits der Titel des Buches klar. An schönen Frauen, harten Drogen und auch einer Biowaffe namens Superspreader fehlt es nicht, wenn der Obermod Wien (un)sicher macht. Wie sein Held kommt auch Just im Fred-Perry-Leiberl ins Wiener Schikaneder und wirft einen Blick auf die Vergangenheit.

STANDARD: Egal ob Sie als Musiker oder Autor in Erscheinung treten – Ihr Schaffen wird gern unter dem Schlagwort "Trash" subsumiert. Auszeichnung oder Beleidigung?

Just: Beleidigung ist es keine. Trash ist eine eigene Kunstform, und der Trashfaktor ist sicher ein Element in meinen Arbeiten, aber eben nur zum Teil. Per Definition ist Trash ja eine Richtung, für die bewusst banal, trivial oder primitiv wirkende Inhalte und eine billige Machart typisch sind. Speziell von Letzterem distanziere ich mich entschieden.

STANDARD: Werden Sie einmal etwas Ernsthaftes schreiben, ist wohl die falsche Frage, weil Sie Ihr Schreiben ohnehin ernst nehmen ...

Just: Egal wie viel Blödsinn drin ist, natürlich ist mir das ernst. Ich glaube nicht, dass ich jemals Betroffenheitsliteratur produzieren kann, dazu bin ich einfach nicht unglücklich genug. Der Humor zieht sich wie ein roter Faden durch mein Werk, was aber nicht bedeutet, dass es bar jeglicher Botschaft ist.

STANDARD: Sie arbeiten mit der Überzeichnung von Klischees: Geschlechter-, Krimi-, Popromanklischees und so weiter. Was fasziniert Sie daran?

Just: Die Gewohnheit des Rezipienten. Wir alle wissen, wie ein Plot, wie ein Musikstück funktioniert. Das offensichtlich zu machen und dann mit den Lesererwartungen zu spielen finde ich extrem interessant. Klischees und Charaktere ins Absurde zu überführen ist meine Form des Ausdrucks. In Stein gemeißelte Regeln animieren mich, sie über den Haufen zu werfen.

STANDARD: Wie stehen Sie zur Nostalgie?

Just: Die Nostalgie wird für mich mit zunehmendem Alter intensiver. Dinge verklären sich, die schönen Erinnerungen bleiben stärker haften. Ich erinnere mich gerne an ein Wien zurück, das trostlos und langweilig war, das aber wahnsinnig viel Freiraum bot.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Just: Man musste sich seine Abenteuer selber suchen. Wir haben uns kostümiert und sind losgezogen, um zu schauen, ob wir auf rivalisierende Gangs treffen. Das war die Nachmittagsunterhaltung der Teenager. Natürlich war man im Gefüge einer Subkultur, in meinem Fall der Mods, einem Herdenzwang untergeordnet, aber die Freiheit lag darin, sich etwas zu suchen, was nicht schon als Event oder Konsumgut vorgegeben war.

STANDARD: Zwei Jahrzehnte scheinen Ihnen wichtig: die 1960er als "Erfindungsjahrzehnt" der Modkultur und die 1990er, weil Sie unter anderem mit Ilsa Gold der Wiener Musikszene Ihren Stempel aufdrückten.

Just: Die 90er gruseln mich eigentlich beim Gedanken an Eurodance und auftrainierte Typen mit Kuhfell-Cowboyhüten. Andererseits war es natürlich das Jahrzehnt, in dem ich mit elektronischer Musik an die Öffentlichkeit getreten bin, also wichtig für mich. Aber tatsächlich sind meine größte Leidenschaft die 80er, sowohl in Mode und Musik gab es eine schöne, finstere und kühle Eleganz. Ich war ja auch in den 80ern beim Mod-Revival dabei, und von allen Subkulturgruppen waren die Mods immer am stylishsten. Da ich für meine Romane einen einsamen, aus der Zeit gefallenen Dandy gesucht habe, war der Mod prädestiniert dafür.

STANDARD: Wir befinden uns in der ersten Welle der Corona-Literatur – können die Leute das Wort überhaupt noch hören?

Just: Sie müssen. Natürlich ist das Risiko eines solchen Buches, dass ganz viele Leute sagen: "Bitte nicht schon wieder Corona, weg damit." Aber es soll eine befreiende Möglichkeit anbieten, Corona frech ins Gesicht zu lachen.

STANDARD: Sie veröffentlichen nach wie vor Musik. Beobachten Sie die Szene?

Just: Ich bin viel weniger unterwegs als früher, da verschieben sich die Interessen. Aber wenn in der Stadt ein neues Lokal, ein neuer Club eröffnet, schaue ich da schon gierig hin. Was ich definitiv nicht mehr mache, ist, mich musikalisch komplett zu informieren.

STANDARD: Weil nichts Besseres nachkam?

Just: Techno hat ein letztes großes Aufbäumen der Moderne in der Musik gebracht, für mein Empfinden. Ich habe schon das Gefühl, dass noch immer im Fahrwasser davon experimentiert wird. Momentan kann ich alles komplett nachvollziehen. Das sind qualitative Sachen, aber das ganz große neue Ding habe ich nach Techno nicht mehr gesehen.

Videointerview.
DER STANDARD

(Amira Ben Saoud, 13.12.2020)