Die Falschfarbenkarte zeigt die ausgedehnte Struktur ober- und unterhalb der galaktischen Scheibe, die entfernt an eine Sanduhr erinnert.

Foto: MPE/IKI

Forscher haben mithilfe des deutschen Röntgenteleskops eRosita eine riesige Gasblase in der Milchstraße entdeckt. Die Struktur aus heißem Gas befindet sich unterhalb der Milchstraßenebene, die den größten Teil des südlichen Himmels einnimmt. Dies sei das Ergebnis der ersten vollständigen Himmelsdurchmusterung mit dem Röntgenteleskop, wie das Team des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching in "Nature" berichtet.

Eine ähnliche Struktur am Nordhimmel, der sogenannte Nordpolar-Sporn, ist seit langem bekannt. Bisher wurde vermutet, dass er von einer nahen Supernova-Explosion stammen könnte. Zusammengenommen zeigten die Nord- und Süd-Struktur aber nun, dass die Ursache wohl eher im Zentrum der Galaxie liegt, erläutern die Forscher. Die Riesenblasen erinnern in ihrer Form zusammen an eine Sanduhr, die sich unter- und oberhalb der galaktischen Scheibe erstreckt.

Schwarzes Loch im Verdacht

"Die scharfen Grenzflächen dieser Blasen laufen höchstwahrscheinlich entlang von Schockwellen, die durch einen massiven Energieeintrag aus dem Innern unserer Galaxie in den galaktischen Halo verursacht wurden", sagte Peter Predehl, Erstautor der Studie. Die wahrscheinlichste Erklärung für die gigantische Gasstruktur seien demnach energiereiche Ausbrüche im Innern der Milchstraße. Ursachen könnten eine Periode intensiver Sternentstehung oder ein Ausbruch aus dem supermassereichen schwarzen Loch im galaktischen Zentrum gewesen sein.

Auch wenn sich das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße derzeit ruhig verhält, könnte es in der Vergangenheit durchaus aktiv gewesen sein – ähnlich wie man es bei aktiven Galaxienkernen mit stark wachsenden schwarzen Löchern in fernen Galaxien beobachten kann, so die Wissenschafter.

Große Pläne

"Dank seiner Empfindlichkeit sowie Energie- und Winkelauflösung kann eRosita den gesamten Röntgenhimmel mit bisher unerreichter Tiefe kartieren und so auch die südliche Blase eindeutig nachweisen", sagte Michael Freyberg, Koautor der Studie. Das Röntgenteleskop durchmustert alle sechs Monate den gesamten Himmel. Die Daten ermöglichen es den Wissenschaftern, nach großräumigen Strukturen zu suchen.

Eine russische Trägerrakete hatte eRosita im Juli 2019 vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus ins All befördert. Seitdem sendet das Teleskop Daten. Daraus entstehen Himmelskarten, die das Universum und seine Entwicklung abbilden. Die Astronomen gehen davon aus, dass sie mit eRosita rund 100.000 Galaxienhaufen sowie mehrere Millionen aktive Schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien finden können. (red, APA, 13.12.2020)