Uns ist ein Ros entsprungen, Sobotka heißt die Art. Ganz wie die Alten sungen, die Message, sie hat einen Bart. Nicht immer war hierzulande die Begeisterung klerikalkonservativer Politiker für den Parlamentarismus so groß, dass sie "Hoffnung in der Krise" im Hohen Haus erbeteten, das taten sie lieber außerhalb bei zugesperrtem Haus. Beim türkisen Flügel der Regierung war so viel Begeisterung für den Ort demokratischer Prozesse bisher nicht zu erkennen. Dass Gott die Menschen prüft, müssen sie gut lorettanisch hinnehmen, bei dringlichen Anfragen der Opposition, die demselben Zweck dienen, darf man sich drücken, solange es geht. Dabei soll doch Volkes Stimme Gottes Stimme sein.

Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte zu einer Gebetsstunde im Parlament geladen.
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Das "Nationale Parlamentarische Gebetsfrühstück" war nicht einmal die Idee bodenständiger Frühstücker, sondern von einer jahrzehntealten US-amerikanischen Darbietung abgekupfert, was die Frage aufwirft: Wieso dieser Anfall religiöser Inbrunst ausgerechnet jetzt? Und wenn das Frühstück schon "national" sein musste: Wurden dazu neben den lieben christlichen Landsleuten auch jene nicht nur als Staffage eingeladen, die hier sonst noch wohnen und beten? War es zur Abwendung der grassierenden Pandemie gedacht, hätte man besser nicht bis Mariä Empfängnis gewartet, sondern schon zu Christi Himmelfahrt gefrühstückt. Dann hätte unser gütiger, aber strenger Bundeskanzler keinen zweiten Lockdown verkünden müssen, und wir alle könnten Weihnachten scharenweise mit unseren Lieben feiern.

Schlag ins Weihwasser

Kurz hat sich seine Glorifizierung wenig patriotisch von einer ortsfremden Sekte anfertigen lassen. Jetzt heißt es abwarten, wann die spirituelle Impfung zu wirken beginnt. Aber dann: Awake! Vielleicht hatte es aber gar nichts mit Maria zu tun. Nachdem sich der Kreuzzug des Innenministers gegen den politischen Islam zunehmend als Schlag ins Wasser erweist, versuchte nun der Nationalratspräsident mit einem Schlag ins Weihwasser, das politisierende Christentum gegen die Ungläubigen zu mobilisieren. So viele Pannen wie den irdischen Heerscharen der Exekutive können den Lorettanern dabei gar nicht unterlaufen, sind sie doch stärker von ihrem missionarischen Auftrag erfüllt als die Polizei von ihrem.

Und wo missioniert wird, da fallen Späne des Unglaubens. Etwa die Häresie der Gleichheit von Mann und Frau. Das Wesen von Mann und Frau ist unterschiedlich, gilt dem Lorettaner. Ungläubige würden behaupten, da liege eine Verwechslung von Substanz und einigen anatomischen Akzidentien vor, und auf das Faktum des Aufstiegs von Eva aus der Rippe Adams verweisen. Es wäre jedenfalls interessant zu erfahren, ob der Präsident des Nationalrates die Wesensungleichheit weiblicher und männlicher Abgeordneter angemessen berücksichtigt. Vielleicht ist aber alles viel einfacher, und er will nur seinen Beitrag zur Herstellung polnischer Verhältnisse in Österreich leisten.

Dazu könnte man anmerken: Das Evangelium der demokratischen Republik ist noch immer die Verfassung, und in der steht kein Wort davon, dass es sich beim Parlament um die Privatkapelle seines Präsidenten handelt. Es gibt für reuige Sünder immer die Möglichkeit einer Springprozession nach Mariazell, auch mit Bußgürtel. Das Hohe Haus ist kein Missionarstreff. (Günter Traxler, 10.12.2020)