Celebrity-Aktivistin in Aktion: Nicole Kidman gibt Jo Ellen Pellman in "The Prom" Nachhilfe darin, wie man richtig "zazzy" wirkt.

Foto: Netflix

Ein Ensemble, das seinen Ruf aufpolieren will: Meryl Streep und James Corden in "The Prom".

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Hollywoodstars, die auf Preisverleihungen große Reden schwingen, haben inzwischen ein ähnliches Glaubwürdigkeitsproblem wie Politiker. Der Vorwurf lautet, sie würden sich ja doch nur deshalb für etwas stark machen, um billig Sympathiepunkte zu sammeln. Wer will schon auf Privilegien verzichten? Da fährt man trotz grüner Gesinnung trotzdem weiter in der fetten Limousine zur Gala.

Eine der Stärken von The Prom, dem kunterbunten Netflix-Musical, das uns alle vom Corona-Blues freispülen soll, ist, dass es sich diesen angeschlagenen Ruf zunutze macht. Es geht nämlich um Imagepolitur der unaufwendigen Art. Broadway-Diva Dee Dee Allen hat gerade einen Verriss in der New York Times kassiert, der es an Deutlichkeit nicht fehlen lässt. Es wäre besser, schreibt der Kritiker, sich einen Strick zu kaufen und sich aufzuhängen, als Eleanor!, das Musical über die frühere First Lady, zu besuchen. So eine Kritik bedeutet nicht einmal ein halb gefülltes Haus.

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Für die rettende Idee gibt es in The Prom ein schönes Wort: Celebrity-Aktivismus. Das moralisch angeschlagene Ensemble begibt sich von New York nach Indiana, wo man mit Minderheitenpolitik noch etwas hinterherhinkt. Es will seinen Promi-Faktor für LGBT-Rechte einsetzen. Der Fall eines kompromittierten Teenagers beschwor in sozialen Medien Erregungswellen herauf. Der Abschlussball, ritueller Höhepunkt jeder US-amerikanischen Highschool-Laufbahn, soll abgesagt werden, weil die lesbische Emma (Jo Ellen Pellman) mit ihrer Freundin antanzen will.

"It’s not about me!" ("Es geht nicht um mich"), lautet schließlich der Refrain der Nummer, die Dee Dee Allen als Überraschungsgast vor dem Schulkomitee zum Besten gibt. Der Opportunismus der mehrfachen Tony-Gewinnerin tritt trotzdem so unverhohlen zutage wie ihr Narzissmus. Da Meryl Streep den Theaterstar mit einer starken Dosis Selbstironie verkörpert und jede Allüre mit Hingabe auskostet, ist der Gedankensprung zum Filmgeschäft gar kein großer.

Kidman als Revuegirl

Ryan Murphy, das um 300 Millionen Dollar zu Netflix gewechselte Serien-Wunderkind (u. a. Glee,American Horror Story), hat für seine Adaption des Broadway-Hits auf eine ganze Riege von Berühmtheiten zugreifen können. Nicole Kidman spielt ein an Bob-Fosse-Zeiten angelehntes Revuegirl, also eigentlich nur die zweite Geige, das dem Mauerblümchen Emma den richtigen Schnitt, die "zazzy" Erscheinung verpassen soll.

"So schwul wie ein Kübel voller Perücken" ist James Corden als weiterer Musical-Tanzbär (nach Eigendefinition). Erntete er schon für sein Garfield-ähnliches Katerkostüm in Cats viel Häme, so bekam er diesmal Fett dafür ab, dass er als Hetero, der einen Homosexuellen mimt, besser in die Zeit von Ein Käfig voller Narren gepasst hätte.

Murphy, der sich selbst geoutet hat und in Sachen Darstellungspolitik durchaus als progressiv gilt, dürfte aber gerade daran Gefallen gefunden haben. Tatsächlich spielt The Prom zunächst mit viel Freude an der Übertreibung Rollenstereotype durch und bricht sie mitunter auf, wie mit der Figur des schwarzen Schuldirektors (Keegan-Michael Key), der sich als Musical-Fan outet. Die größte Gegnerin von Emma ist übrigens auch keine Weiße.

Komik in zwei Richtungen

Der Witz des Films zielt also in zwei Richtungen. Die bigotten Provinzler, deren Töchter einer Barbie-Ästhetik anhängen, sind so scheinheilig wie die New Yorker Kulturbotschafter mit ihren Fake-Tugenden. Dass sich die profanen Schauplätze eines uniformen Amerikas des Mittleren Westens – ob Turnhallen oder Malls – für farbenfrohe, mehr textlich als musikalisch spritzige Nummern eignen, gerät dann schon zum Teil der kulturellen Versöhnung zweier verfeindeter Lager.

Murphy verliert den Camp-Faktor zwar nicht aus den Augen, aber der zuckersüße Überschuss, den der Film hervorbringt, schlägt sich irgendwann doch auf den Magen. In The Prom geht der Esprit auf halber Strecke verloren. (Dominik Kamalzadeh, 11.12.2020)