"Wir brauchen einen starken, einen funktionsfähigen Staat, der ein nachhaltiges Überleben von Gesellschaft und Wirtschaft gewährleistet", sagt der Ökonom Kurt Bayer im Gastkommentar.

Was tun, wenn die Skisaison schlecht läuft? Auf Druck der Freizeitwirtschaft könnte sich der Trend zur "Überkompensation" in der Corona-Krise fortsetzen.
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Zu Recht prangert Monika Köppl-Turyna, die Direktorin des wirtschaftsliberalen Forschungsinstituts Eco Austria im Gastkommentar "Koste es, was es wolle?" den Umsatzersatz als Corona-Hilfe wegen mangelnder Zielgerichtetheit und vor allem der Tendenz zur "Überkompensation" an. Sie befürchtet auch, wieder zu Recht, dass der Druck der Freizeitwirtschaft bei einer schlechten Skisaison dazu führen könnte, dass er, entgegen den Festlegungen des Finanzministers, nicht Ende des Jahres auslaufen, sondern verlängert werden könnte. Sie liegt aber falsch, wenn sie stattdessen "Hilfen, die den Prinzipien der Marktwirtschaft folgen", fordert. Vor allem, wenn sie die Schnapsidee von Clemens Fuest aus dem Münchner Ifo-Institut propagiert, wonach Hilfen einer "inversen Auktion" folgen sollten, dass also der Staat jene Betriebe subventioniert, die nicht öffnen, sondern geschlossen halten – und dies besonders billig machten. Die (relativ, so nehme ich an) Billigsten würden den Zuschlag erhalten.

Sind das wirklich jene, die es am meisten brauchen, die den geforderten "Strukturwandel" am besten bewältigen, oder vielleicht diejenigen, die es am wenigsten brauchen, weil sie genügend Mittel anderweitig aufbringen können? Und könnten dies nicht jene Beherbergungsunternehmen sein, die großen internationalen Hotelketten angehören und daher Schließungen leicht verkraften können? Ist das der Strukturwandel, den wir brauchen, mehr große Hotels statt Familienpensionen? Und die Ökonomin legt noch ein weiteres "marktwirtschaftliches Element" drauf und will, dass der Staat statt Cashhilfen billige Kredite oder Garantien vergibt. Gerade im kleinteiligen Tourismus sind die Eigenkapitalanteile der Betriebe gering, oft negativ, die Verschuldungsgrade hoch: Will man hier noch mehr Schulden anhäufen, und wer soll die dann zurückführen?

Kein Problemlöser

Auch meine ich, dass Köppl-Turynas Begriff von Strukturwandel und Marktwirtschaft zu hinterfragen ist. Es scheint, dass bei ihr dieser Strukturwandel urwüchsig von außen, vom "Markt" kommt und dessen Bewältigung dem Markt überlassen bleibt. Faktum aber ist, dass, wie ja die Corona-Krise zeigt, die Bewältigung dieses Strukturwandels sehr stark den Staat benötigt. Der "Markt" hat nicht die Krankenhauskapazitäten, die Versorgung mit Intensivbetten, mit Schutzausrüstungen, mit Masken und Testmaterial – und letztlich mit Impfungen sichergestellt, sondern all dies musste vom Staat bereitgestellt und bewältigt werden.

Der nächste Schritt im "Strukturwandel" ist die Bewältigung der Klima- und Umweltkrise und der sozialen Krise, die durch die durch Corona verstärkte Einkommens- und Vermögensungleichheit, durch die zunehmende Arbeitslosigkeit und Verarmung breiterer Bevölkerungsschichten verursacht ist. Der "Markt" hat schon lange vor Corona die Ungleichheiten verstärkt und Klima und Umwelt geschädigt. Hier verstärkt auf den Markt als Problemlöser zu setzen ist, wie den Hund zur Bewachung der Knackwurst (Copyright Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger) einzusetzen.

Corona zeigt es uns: Wir brauchen einen starken, einen funktionsfähigen Staat, der ein nachhaltiges Überleben von Gesellschaft und Wirtschaft gewährleistet, der sicherstellt, dass "gutes Leben für alle" wieder möglich wird. Natürlich sollen dabei auch Marktmechanismen eingesetzt werden, aber sie benötigen dafür Rahmenbedingungen, die nur der Staat als Gesamtvertreter gesellschaftlicher Ziele setzen kann.

Lernender Staat

Wie das unsinnige und teure Instrument des Umsatzersatzes zeigt, ist unser Staat dieser Aufgabe nicht gewachsen: Er gibt zu viel Geld in falsche Kanäle aus und verabsäumt vor allem, gleichzeitig mit den Corona-Hilfen die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu beschleunigen. Nur wenn der Staat den Marktteilnehmern die richtigen Signale in Richtung der notwendigen Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit von sozialen, ökologischen und ökonomischen Anliegen gibt, haben wir eine Chance, aus diesen Krisen herauszukommen und die nächsten zu bewältigen.

Wir brauchen nicht mehr Markt, sondern einen "lernenden Staat", der die Bevölkerung in die Entscheidungsvorbereitung und Entscheidungen selbst mit einbezieht. Da gibt es noch sehr viel Luft nach oben. (Kurt Bayer, 11.12.2020)