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Hin- und hergerissen zwischen Schulbetrieb und Homeoffice: Bis Mitternacht trudeln bei manchen Lehrkräften die Nachrichten ihrer Schülerinnen und Schüler ein.

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Über ihren Arbeitsplatz wird seit Beginn der Corona-Pandemie mit besonderer Inbrunst debattiert. Wie es den Pädagoginnen und Pädagogen in diesem doch eher außergewöhnlichen Schuljahr persönlich geht, gerät bei allem Hin und Her über Schulschließungen, Distance-Learning und Maskentragen oft etwas aus dem Blick.

DER STANDARD hat bei mehreren Lehrkräften und Kindergartenpädagoginnen nachgefragt, wie es ihnen so geht – mit Corona, den ständig wechselnden Rahmenbedingungen, der Brücke zwischen Privatem und Beruflichem. Die meisten wollen anonym bleiben. Und nein, leicht ist da nichts.

"Es ist ein Spagat zwischen Haushalt, Job und Distance-Learning der eigenen Kinder. Dass ich als Administratorin und Lehrerin an einer Berufsbildenden Höheren Schule fast alle Tätigkeiten von zu Hause erledigen kann, hat Vor- und Nachteile. Zwar kann ich für meine Kinder da sein, gleichzeitig reicht die Bandbreite des Internets nicht für drei Videokonferenzen auf einmal – und so fliege ich immer wieder aus meinem eigenen Unterricht. Aber ich halte durch."

Auch wenn es mit der Internetverbindung klappt, heißt das noch lange nicht, dass dann wirklich konzentriert gearbeitet werden kann. Textmessage folgt auf Textmessage. "Frau Ablinger, sind Sie schon drinnen?" – "Frau Ablinger, ich komme gleich, ich muss mir noch was zum Trinken holen." – "Frau Ablinger, können Sie mir den Code schicken, mit dem Link funktioniert es nicht. Danke." Sie sei regelrecht zu einer Samsung-Huawei-Online-Beratungsexpertin mutiert, beschreibt Sonja Ablinger, früher Abgeordnete der SPÖ im Parlament, heute noch Englisch- und Geschichtslehrerin an einer Mittelschule in Linz, den Ausbau der eigenen Technikkompetenz während der vergangenen Monate. Auch ihre Arbeitszeit habe sich deutlich verlängert. "Nach dem Onlineunterricht ist es ja nicht vorbei", erklärt die Pädagogin. Einige Kinder brauchen Einzelberatung, fragen nach, so wie in der Schule eben auch. Im zweiten Lockdown seien zudem mehr Kinder in die Schule gekommen:

"Da gab es Tage mit Lernbetreuung am Vormittag, Onlineunterricht am Nachmittag und dann Aufgaben korrigieren, Feedback geben am Abend oder in der Nacht. Gar nicht so wenige meiner Schülerinnen und Schüler sind Late-Night-Worker. Fragen oder Rückmeldungen kamen oft bis Mitternacht."

Seit Wochenbeginn haben die Pflichtschulen den Unterricht vor Ort wieder aufgenommen. An der Polytechnischen Schule von Herrn X. herrscht "eine sehr gedämpfte Atmosphäre", sagt er. So motiviert die Kollegen auch sind – es lasse sich in Pandemiezeiten kaum eine Idee mit Praxisbezug umsetzen. Auch in den Pausen sei es "total ruhig", nicht einmal zum Direktor wird jemand geschickt. Als einjähriger Schultyp habe man damit zu kämpfen, dass mit den ständigen Unterbrechungen des Unterrichts und den diversen Hygieneregeln kaum eine gute Klassengemeinschaft entstehen könne: "Wenn ich ab Tag eins sagen muss 'Aufpassen, Abstand halten', dann ist das schwierig."

Der Lehrer ist froh, dass er die Jugendlichen jetzt wieder vor Ort hat. Auch wenn es mit den Masken gar nicht so leicht sei, sich von jedem den Namen zu merken. Weil die Schülerinnen und Schüler im Poly schon älter sind, hat Herr X. aber auch Bedenken, was die Gesundheit aller Anwesenden anlangt: "Ein Schichtbetrieb wäre bei uns viel besser geeignet gewesen", findet er.

Eine Kollegin, ebenfalls aus Wien, kommt persönlich ganz gut zurecht. Sie sorgt sich mehr um "ihre" Kinder in der Deutschförderklasse einer städtischen Mittelschule, für die sei die Pandemie oft schlimm: "Das mittlerweile dritte Kind läuft unter einer Gefährdungsmeldung, eines ist schon im Krisenzentrum, die Familien brechen in Zeiten wie diesen immer mehr auseinander", besonders bei jenen Kindern, die ohnehin schon schwierigere Startbedingungen hätten. "Fehlende Einkünfte, Unsicherheiten und viel Zeit gemeinsam auf engem Raum führen unweigerlich zu großen Konflikten", analysiert die Lehrerin.

"Das ist schrecklich und schränkt unsere pädagogische Tätigkeit insofern ein, als dass wir Kinder unter diesen Umständen nicht wirklich mit trockenem Schulstoff belasten können. Wir müssen uns vielmehr um ihre Psyche und ihr Wohlergehen kümmern."

Sie sei sehr dankbar für die großartige Unterstützung von Psychagogen und Sozialarbeiterinnen an ihrem Standort – "ohne die wären wir schlichtweg aufgeschmissen".

Wie belastet die Kinder und Jugendlichen sind, spürt auch die Kollegin aus der BHS: "Fast in jeder Klasse gibt es mittlerweile eine Schülerin oder einen Schüler, für die oder den psychologische Betreuung vonnöten ist."

Eltern "stressen am meisten"

Im Kindergarten bei Frau Z. gab es de facto keinen Lockdown. Dafür war sie nicht nur mit den Kindern beschäftigt, sondern vor allem mit den Eltern, etwa um deren Betreuungsbedarf abzuklären. "Da muss man so aufpassen, was man sagt", erzählt sie. Oft würden die Eltern gereizt reagieren, empfinden schon die Frage als Zumutung. Frau Z. resümiert also: "Die Eltern stressen mich am meisten." Und wenn sie dann sehe, wie sich die Familie, in der Mutter und Vater beim Nahversorger arbeiten, den Schichtdienst so einteilen, dass ihr Kind während des Lockdowns möglichst wenig in den Kindergarten kommt, während andere mit Schreibtischberufen weitermachen als wäre nichts, dann mache sie das irgendwie traurig. Um die eigene Gesundheit sorgt auch sie sich nicht. Überhaupt kann sie der Krise auch viel Positives abgewinnen:

"Wir haben es gut, bei uns ist gleich der Wald in der Nähe. Wir gehen mit der Picknickdecke raus und machen dort den Morgenkreis. Ich bin auch noch nie so viel mit den Kindern gewandert. Die Adventstunde im Freien war richtig schön. Seit wir so viel draußen sind, sind die Kinder weniger krank und arbeiten drinnen konzentrierter."

In der Mittelschule bei Frau Ablinger sind die Lernmöglichkeiten aktuell eher dezimiert: Rollenspiele, Gruppen- und Paararbeiten, Lehrausgänge, Projekttage, Schulveranstaltungen – all das gebe es zurzeit nicht. Erlaubt sei nur noch, die Kinder mit Maske auf Abstand bei offenem Fenster frontal zu unterrichten. "Manchmal denke ich mir: Corona wirft nicht nur die Geschlechterverhältnisse in die 50er-Jahre zurück, sondern auch das Unterrichtsgeschehen. Digital in die Zukunft, aber didaktisch in die Vergangenheit." (Karin Riss, 11.12.2020)