Inaktivierte Vollimpfstoffe werden in hochgesicherten Betriebsanlagen hergestellt. Das staatliche chinesische Unternehmen Sinopharm ist an zwei Impfstoffkandidaten beteiligt.

Während Europa auf die Zulassung von einstweilen zwei Impfstoffen wartet, gibt es in China ebenfalls Durchbrüche bei Vakzinen. Insgesamt befinden sich in dem Land, das als erstes von der Corona-Pandemie betroffen war, vier Vakzine in der entscheidenden Phase der klinischen Prüfung. Die in den internationalen Fachjournalen publizierten Ergebnisse sind positiv, was deren Wirksamkeit und Sicherheit betrifft – vor allem auch bei älteren Menschen, die als Probanden in einigen Studien bereits aufgenommen waren. Das ist insofern wichtig, als die Wirkung bei über 65-Jährigen in dieser Pandemie ganz besonders wichtig ist, weil sie tendenziell stärker von Sars-CoV-2 bedroht sind als jüngere Menschen.

Frage der Herstellung

Der Grund für die Wirkung könnte im Herstellungsverfahren liegen. Drei der vier chinesischen Impfstoffkandidaten in der klinischen Prüfungsphase 3 setzen auf sogenannte inaktivierte Viren. Damit wird eine Technologie bezeichnet, die Sars-CoV-2-Viren abtötet und somit ihrer krankmachenden Eigenschaften beraubt. In der Impfstoffproduktion wird direkt mit den in der Natur zirkulierenden Coronaviren gearbeitet – in Hochsicherheitslabors und Produktionsanlagen, die ebenfalls mit einer Vielzahl von Maßnahmen gesichert sein müssen.

Mit dieser Entwicklungsplattform für inaktivierte Viren gibt es lange Erfahrung: Sie wird seit Jahrzehnten bei Vakzinen gegen Kinderlähmung oder Tollwut eingesetzt. Folgende drei chinesischen Impfstoffe auf Basis eines inaktivierten Sars-CoV-2 stehen in der Entwicklung in der abschließenden Studienphase 3.

  • Sinopharm und das Institut für Virologie Wuhan der Chinesischen Akademie der Wissenschaften entwickeln einen Impfstoff namens New Crown-Covid-19.
  • Sinovac Biotech entwickelt den Impfstoff Corona-Vac.
  • Sinopharm und das Beijing Institute of Biological Products entwickeln einen Impfstoff mit dem Kürzel BBiBP-CorV.

Was inaktivierter Vollimpfstoff genau bedeutet? Es ist ein Virus, das nicht mehr ansteckend gemacht worden ist. "Man entnimmt Sars-CoV-2 tatsächlich einem infizierten Menschen", sagt der Impfstoffexperte Otfried Kistner – und erklärt ein mehrstufiges Isolierungs-, Inaktivierungs- und Reinigungsverfahren, mit dem sichergestellt wird, dass dann tatsächlich nur Sars-CoV-2 als Einzelelement sozusagen übrigbleibt und als Impfstoff existiert. Die Arbeit der Forscher dafür findet unter hohen Sicherheitsbedingungen statt, "weil Sars-CoV-2 hochpathogen ist und es bei diesem Prozess zu keinerlei Risiken kommen darf". Einmal isoliert, wird das Virus vermehrt, um dann als Basis für den Impfstoff zur Verfügung zu stehen.

Knackpunkt Inaktivierung

Der entscheidende Schritt bei der Impfstoffentwicklung ist die Inaktivierung selbst. Mehrere Wege sind dafür möglich, sagt Kistner. Formalin, ein chemischer Stoff aus der Gruppe der Aldehyde zum Beispiel: "Die Oberfläche verändert sich nicht, doch sie wird konserviert", erklärt er. Man könne sich das ähnlich wie eine Versiegelung vorstellen. Eine ähnliche Wirkung könne man auch mit UV-Licht erzielen.

Das Gute an dieser Versiegelung: Das menschliche Immunsystem erkennt trotzdem noch das Spike-Protein in der Hülle und aktiviert seine Abwehrtruppen. "Die Wirkung der Impfung ist sehr ähnlich einer tatsächlichen Infektion", sagt Kistner und meint die umfassende Immunantwort, also eine umfassende Aktivierung, bei der die verschiedenen Truppen des Immunsystems im Körper im Einsatz sind.

Bei älteren Menschen zählt vor allem die zelluläre Immunantwort zur Abwehr des Virus, und die sei mit inaktivierten Virus-Impfstoffen erfahrungsgemäß sehr gut, weil mit Adjuvantien, also Impfstoffverstärkern, die Wirkung noch einmal einen Boost bekommt. In den Studien zu den Impfstoffkandidaten BBiBP-CorV und New Crown Covid-19 wurden die positiven Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit (also keine schwerwiegenden Nebenwirkungen) in internationalen Fachzeitschriften bereits publiziert.

Der Pandemie hinterher

Das Durchführen der Impfstudien ist für China allerdings eine Herausforderung, da es kaum mehr Corona-Fälle im Land gibt. Deshalb sind die Hersteller gezwungen, für ihre klinischen Studien in andere Länder auszuweichen – aktuell wird sehr stark in Brasilien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain getestet. Die chinesische Nationale Zulassungsbehörde (NMPA) teilte jedoch mit, dass man im Zulassungsprozess in vielen Ländern weit fortgeschritten sei, in Bahrain und den Arabischen Emiraten ist die Zulassung erfolgt.

Eine zentrale Frage, die zum jetzigen Zeitpunkt noch für keinen der Impfstoffe in Zulassung beantwortet werden kann, ist, wie lange die Impfungen wirksam sein werden und der Schutz vor dem Virus anhält. Diese Frage wird, was eventuelle Nachimpfungen betrifft, aber erst dann beantwortet werden können, wenn der Impfstoff über längere Zeit im Einsatz ist.

Abseits der inaktivierten Virusimpfstoffe gegen Sars-CoV-2 sind in China noch zwei weitere Impfstoffkandidaten in der Phase III der klinischen Prüfung.

  • Cansino Biologics mit dem vektorbasierten Impfstoff Ad5-nCOV.
  • Anhui Zhifei Longcom Biopharmaceutical, ein Sub-Unit-Impfstoff, der nur aus Teilen des Krankheitserregers besteht.

Dass die chinesischen Impfstoffe je exportiert werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Zum einen, weil der Eigenbedarf in China zu hoch ist, zum anderen, "weil Impfstoffhersteller, die eine Zulassung in Europa beantragen wollen, hier auch einen Firmensitz haben müssen," sagt Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Medizinmarktaufsicht in Österreich und Vertreterin bei der Europäischen Arzneimittelagentur. Das ist bei keinem der fünf Hersteller der Fall, alle chinesischen Impfstoffhersteller haben ihre Firmensitze ausschließlich in China. (Karin Pollack, 14.12.2020)