Die Homeoffice-Euphorie unter Österreichs Bürogehern – mit mehr Autonomie und vertrauenden, empathischen Vorgesetzten – ist einer anderen Wirklichkeit gewichen. Das zeigt eine aktuelle Befragung des Great-Place-to-Work-Instituts (GPTW erhebt international die Vertrauenskultur und evaluiert Personalmaßnahmen). Befragt wurden repräsentativ über 600 Arbeitende. Was sind die drei größten Wünsche aktuell?

Kompetente, empathische Führung zuallererst. Gefolgt von einer Unternehmenskultur, die von Vertrauen geprägt ist, und Homeoffice, in dem man teilweise weiter arbeiten darf – allerdings mit der adäquaten Ausstattung. Da man sich ja nichts wünschen muss, was schon da ist oder was man schon hat, weist das auf einen Mangel hin.

Aber weiter in den Ergebnissen: Insgesamt zeigt sich, dass sich Schneisen in den Unternehmen öffnen und eine sehr große Sehnsucht nach Führung, Klarheit und Orientierung besteht. Wer vor Corona bereits an vertrauensvoller Unternehmenskultur gearbeitet hat, steht besser da.

Den Chefs geht es nicht sehr gut

Persönliche Belastungen erscheinen in dieser Befragung besonders hoch in den oberen Gremien: 67 Prozent der First-Level-Führungskräfte und mehr als die Hälfte des Mittelmanagements fühlen sich "persönlich belastet". Das strahlt offenbar in die Teams ab. Denn gaben in einer ähnlichen Befragung dieses Instituts im Juni des Jahres noch 57 Prozent an, dass die Chefs ein offenes Ohr für Ängste und Sorgen hätten, so sagen das aktuell nur mehr 41 Prozent. Die Belastungsgrenze scheint also vielerorts überschritten.

In einer ähnlichen Befragung von Great Place To Work im Juni gaben noch 57 Prozent an, dass die Chefs ein offenes Ohr für Ängste und Sorgen hätten, so sagen das aktuell nur mehr 41 Prozent. Die Belastungsgrenze scheint also vielerorts überschritten.

Drei Viertel sagten noch im Juni, sie fühlten sich über alle Corona-Maßnahmen des Betriebes recht gut informiert. Jetzt sind es nur mehr 57 Prozent. Nicht berauschend, aber immerhin: 37 Prozent nahmen im Juni ihre Führungskräfte als "vorbildlich" wahr. Jetzt sagen das nur mehr 28 Prozent. Im Juni gaben 42 Prozent der Arbeitenden zu Protokoll, dass die Corona-Krisen Chancen für ihre Firma berge. 33 Prozent sehen das aktuell so.

Enttäuscht sind diejenigen, die im ersten Lockdown Homeoffice hatten und jetzt wieder vollständig im Büro arbeiten. Insgesamt nehmen 28 Prozent "die größte Veränderung durch Corona" durch Homeoffice und Digitalisierung wahr – so oder so.

Kommt jetzt die neue Kultur?

Eine internationale Perspektive, die etwas besser ausfällt, bringen die Berater von Deloitte in die Diskussion ein. Befragt wurden 10.000 Arbeitende in verschiedenen Ländern. Über 40 Prozent begrüßen "flexiblere Arbeitszeitmodelle" seit Ausbruch der Pandemie. 38 Prozent freuen sich darüber, selbstständiger gearbeitet zu haben als noch vor der Krise. Wenngleich: Dass sich das nach der Pandemie fortsetzt, erwarten nur 34 Prozent. Allerdings liegen die Erwartungen an Homeoffice als Konstante auch in dieser aktuellen Umfrage hoch: Zwei Drittel hegen die Erwartung, dass Homeoffice gekommen ist, um zu bleiben.

Entgegengebrachtes Vertrauen von Chefs geben hier 40 Prozent als positive Arbeitsgrundlage an. 38 Prozent nennen die Kollegen als Anker, 37 Prozent sagen, das Netzwerk der Kollegen habe sie durch die Krise getragen.

Besonders hoffnungsvoll hinsichtlich der Dämmerung einer ganz neuen – so oft verlangten – Führungskultur sind aber auch hier nicht allzu viele: Nur 27 Prozent glauben, dass "gesteigertes Vertrauen über alle Hierarchieebenen" auch nach der Corona-Krise bestehen wird. Der gute Glaube an Corona als Katalysator hin zu einer Unternehmenskultur, wie man sich diese eigentlich erträumt, ist also aktuell ein Minderheitenprogramm. (Karin Bauer, 14.12.2020)