Man nehme eine Pandemie, ein gelangweiltes Lockdownkind, einen zersägten Filzstift und einen vereitelten Vertuschungsversuch: Fertig ist der geknickte rosa Klobesen

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Man nehme eine Pandemie, ein gelangweiltes Lockdownkind, einen zersägten Filzstift und einen vereitelten Vertuschungsversuch: Fertig ist der geknickte rosa Klobesen. Den neuen Klobesen, den ich erstehen wollte, ließ die Supermarktkassiererin mit einer geübten Armbewegung im Fußraum ihrer Kassa verschwinden. Darf ich nicht verkaufen, sagte sie entschuldigend. Ist nicht überlebensnotwendig. Adventkranz beim Hofer schon, aber Klobesen bei euch geht nicht?, fragte ich irritiert. Ich weiß, es ist pervers, sagte sie. Aber die Filialleitung. Achselzucken.

Daheim fischte ich den rosa Klobesen aus dem Mistkübel. Klar, dachte ich. So eine Filialleitung weiß eben nicht, wie relevant so ein Klobesen ist. Putzt ja auch nie Klo, so eine Filialleitung. Befragt auch nie die Kloputzerinnen. Das erledigt sich von allein. So wie Homeschooling. Homeoffice. Homecooking.

Mein rosa Klobesen als Mahnmal für eine politische Inkompetenz, die mit wirtschaftlich-ideologischer Hörigkeit um die Wette hudelt. Für den Kniefall vor Waffenindustrie und Glücksspiel, die Einschleimerei beim Boulevard, die Wurschtigkeit gegenüber den "Kulturverliebten" und die Verachtung für Bildung; für eine Krisenpolitik, die an der Realität vorbeiwurschtelt. Und mitten in die Klobesenkrise kommen die Stellungnahmen zur Petition "Fakten helfen". Während des zweiten Lockdowns, in denen Frauen in Sachen Familie und Arbeit schlicht alles um die Ohren fliegt, unterstützen die Frauenministerin und die Arbeitsministerin die Forderung der "Aktion Leben" nach Abtreibungsstatistiken.

Wie bitte? Wissen die Ministerinnen überhaupt über ihre Zuständigkeiten Bescheid? Hat die Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend nicht branchennähere, dringendere Aufgaben, als sich von der Bischofskonferenz vor den Karren spannen zu lassen? Und Frau Raab will man fragen: Sind Sie Frauenministerin oder Fötenministerin? Haben Sie die lange und traurige Liste Ihrer Aufgaben gelesen, und ist Ihnen die unrühmliche Rolle der katholischen Kirche in der historischen Frauenbewegung bekannt?

Die Quotendiskussion in Deutschland wäre eine gute Gelegenheit für eine Äußerung gewesen; aber für unsere deklariert nichtfeministische Frauenministerin sind Quoten eine Lachnummer, die sich am besten auf Tauchstation aussitzt. So wie die Betreuungsquote für unter Dreijährige: Die wurde von der Arbeitsministerin von 34 Prozent (2020) auf 31 Prozent (2021) gesenkt, weil jetzt so viele Eltern arbeitslos geworden sind und selber auf ihre Kinder schauen können. Wie zukunftsweisend!

... in der Kirche Politik machen

"Fakten helfen": So heißt die von der Bischofskonferenz gesteuerte Petition, die seit 2014 immer wieder aufgewärmt wird, weil jene Fakten, die es schon haufenweise gibt, der katholischen Ideologie nicht schmecken. Eine zeitgemäße Sexualpädagogik einerseits und eine weltlich orientierte Politik der Verhütung auf Krankenkasse andererseits – das hilft gegen Abtreibungen. Nicht in Österreich, dem einzigen Land Westeuropas, in dem Verhütung gänzlich aus privater Tasche gezahlt wird. ÖVP und FPÖ vertrauen lieber auf katholische Sexualmoral als auf Wissenschaft, und verhindern seit Jahrzehnten eine Trendwende. Wie zuwider eine zeitgemäße Aufklärung und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch dem Personal dieser Parteien sind, lässt sich anhand von Wahlprogrammen und Bekenntnissen überprüfen. Nicht die Fristenlösung, sondern Enthaltsamkeit, Strafen und Verbote sollen ungewünschte Kinder wegzaubern oder in Wunschkinder verwandeln. Die damit verbundenen verbrecherischen Grauslichkeiten gegen Frauen erfährt man nicht aus der Bibel, sondern im Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Dort finden sich Statistiken und erzbischöfliche Zitate, aber auch Stricknadeln, Kleiderbügel und Saugpumpen für die Do-it-yourself-Abtreibung am Küchentisch – genügend Fakten und Beweise dafür, wie wichtig Aufklärung ist, und dass kein Verbot der Welt Frauen von Abtreibungen abhält. Geborgenheit, Sicherheit, Stabilität, Betreuung: Das macht Lust auf Kinder. Eine Pandemie, in der Armut, Arbeitslosigkeit und Gewalt an Frauen zunehmen, ist nicht die richtige Zeit für eine Pro-Life-Bekundung.

Wissen die Ministerinnen das nicht? Sind sie so naiv? Oder haben sie – ganz im Sinne des katholisch-reaktionären Einflusses im Kanzlerumfeld – schamlos und medienwirksam dem Konkordat die Füße geküsst? Wie viel ideologische Unabhängigkeit dürfen wir noch erwarten von einem Land, in dem Waffengeschäfte offen haben, während Schulen zu sind; in dem Theater geschlossen werden, aber Kirchen geöffnet bleiben; in dem im Parlament gebetet und in der Kirche Politik gemacht wird? Mein rosa Klobesen ist ausgetauscht; die Regierung und das Virus bleiben uns noch länger. Derzeit blamiert sich die Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin mit einem sauteuren, unbrauchbaren digitalen Kaufhaus, das nicht mal der DSGV entspricht.

Nicht nur ich frage mich, ob die Inkompetenz der "Sprechpuppen"-Ministerinnen, die zu Ministrantinnen der Parteichefs verkommen, Kalkül ist. Sollen uns hier langfristig Frauen in machtvollen Positionen vergrault werden? Jetzt hilft bald wirklich nur noch beten. (Gertraud Klemm, ALBUM, 12.12.2020)