"Wenn möglich, sollte man Sport konkret und als fixen Termin einplanen", rät Sportpsychologe Gröpel.

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Bei Sportarten, die eine hohe Aufmerksamkeit benötigen, kann man sich besonders gut ablenken, so der Experte.

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Sport hilft gegen Sorgen und Ängste und lässt uns besser mit Stress umgehen. Das ist besonders in Zeiten einer Pandemie wichtig. Aber oft scheitert der gute Vorsatz rasch, weil man sich am Ende doch wieder nicht zu mehr Bewegung aufraffen kann. Der Sportpsychologe Peter Gröpel erklärt, wie es klappen kann.

STANDARD: Viele Menschen leiden psychisch unter der Corona-Krise. Wie kann Sport da helfen?

Gröpel: Bewegung und Sport haben direkten Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Ein ganz wichtiger Aspekt ist dabei, dass sich regelmäßige Bewegung auf die Stressverarbeitung und -resistenz des Körpers auswirkt. Zunächst reagiert der Körper auf Sport wie auf Stress: Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen. Wenn man aber regelmäßig Sport macht, passt sich das kardiovaskuläre System an diese Belastung besser an. Als Folge reagiert der Körper auch weniger stark auf einen Stressreiz im Alltag. Man beruhigt sich also viel schneller wieder.

STANDARD: Welche Effekte hat Sport noch?

Gröpel: Es werden verschiedene Hormone wie Endorphine ausgeschüttet, die glücklich machen. Dadurch kommt es zu einem Konditionierungseffekt. Und wenn wir Sport treiben oder uns bewegen, bekommen wir auch unmittelbar Feedback. Man sieht zum Beispiel, wie weit man schon gelaufen ist. Dieses Gefühl, etwas zu schaffen und handlungsfähig zu sein, ist wirklich wichtig. Daraus lässt sich Energie für andere Lebensbereiche schöpfen. Also nach dem Motto: Ich habe das geschafft, also schaffe ich etwas anderes auch.

STANDARD: Ist Sport auch eine gute Ablenkungen von Sorgen und Ängsten, die viele aktuell haben?

Gröpel: Gegen nagende Sorgen und Ängste hilft, wenn man den Kopf entspannen lässt. Das funktioniert grundsätzlich auch mit Schlafen oder einem guten Film. Aber eben auch durch Sport. Bei Sportarten, die eine hohe Aufmerksamkeit benötigen, kann man sich besonders gut ablenken: Mountainbike-Trail fahren, zum Beispiel, weil es dabei kaum Raum für Fehler gibt und man fokussiert sein muss. Laufen wiederum ist sehr automatisiert, da lässt es sich weiter grübeln.

STANDARD: Die einen sporteln daheim, andere zieht es ins Freie. Was ist denn aus psychologischer Sicht sinnvoller?

Gröpel: Das ist individuell. Zu Sportarten im Freien fühlen sich besonders Menschen hingezogen, die ein starkes Naturmotiv haben. Ich konnte das in einer Studie mit Freeridern beobachten: Eines ihrer größten Motive ist, dass sie einfach draußen sein wollen. Bei anderen Menschen ist dieses Bedürfnis nicht so stark ausgeprägt. Ich würde sagen: Sporteln im Wohnzimmer ist immer besser, als gar nicht zu trainieren.

STANDARD: Manche brauchen beim Sport auch den Kontakt mit anderen, andere schnaufen lieber allein. Was steckt dahinter?

Gröpel: Das hängt auch wieder von den individuellen Motiven ab. Wer ein starkes Leistungsmotiv hat, braucht beispielsweise beim Laufen nicht unbedingt soziale Kontakte. Andere motivieren sich hauptsächlich dadurch, dass sie sich für den Sport mit anderen treffen oder dabei von anderen gepusht werden.

STANDARD: Ist das auch eine gute Strategie für Anfängerinnen und Anfänger, die sich nur schwer zum ersten Schritt überwinden können?

Gröpel: Es ist sicher leichter, sich gemeinsam mit anderen zu motivieren. Das kann eine Trainingsgruppe sein, ein Fitnesskurs oder ein Personal Trainer. Wenn man sich anderen gegenüber verpflichtet fühlt, ist man eher willig, sich zu überwinden. Man muss auch gar nicht laufen gehen, wenn einem das keinen Spaß macht. Oft reicht schon Nordic Walking oder flottes Spazierengehen. Andere Möglichkeiten sind Onlinekurse, bei denen man durch das Workout geleitet wird. Dann muss man sich nicht selber etwas überlegen, sondern kann sich einfach ziehen lassen. Eine solche externe Regulation ist besonders am Anfang super. Und dann ist wichtig, dass man regelmäßig Sport macht.

STANDARD: Wie klappt das?

Gröpel: Wenn möglich, sollte man Sport konkret und als fixen Termin einplanen. Also zum Beispiel: Um neun Uhr morgens ziehe ich meine Laufschuhe an und gehe im Park neben dem Haus laufen. Und das Workout sollte, wenn möglich, nicht im Schlafzimmer gemacht werden. Man sollte wirklich das Gefühl haben, man kommt in den Raum rein und ist jetzt da, um eine bestimmte Tätigkeit zu machen. So entwickelt sich Sport früher oder später zur Gewohnheit. Aber das wird schon ein wenig dauern.

STANDARD: Wie lange muss man denn durchhalten?

Gröpel: Von Fitnessstudios weiß man, dass 40 Prozent der neuen Mitglieder innerhalb der ersten drei Monate wieder aufhören. So lange sollte man also schon durchhalten. Aber wie gesagt: Man kann sich ja von anderen ziehen lassen.

STANDARD: Bewegung wird ja auch bei der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen eingesetzt. Wie funktioniert das?

Gröpel: Das ist eine Art von unterstützender Therapie, die beispielsweise bei Menschen im Burnout oder mit Depressionen zum Einsatz kommt. Das häufigste Symptom einer Depression ist, dass man sich energielos und hilflos fühlt. Durch Sportarten wie beispielsweise therapeutisches Klettern bekommt man ein unmittelbares Feedback: Man hat etwas geschafft – und man ist handlungsfähig. Das lässt sich auch auf andere Bereiche im Leben übertragen.

STANDARD: Aber der Sport hat auch eine Kehrseite. Es gibt ein Zuviel, eine Sportsucht.

Gröpel: Dabei liegt das Problem aber nicht im Sport per se, sondern in der Person, die zu viel schaffen will oder zu hohe Ansprüche an sich selbst hat. Es geht immer darum, in allen Lebensbereichen eine Balance zwischen Belastung und Erholung zu haben. Wer intensiv trainiert, braucht auch viel Zeit für Entspannung. Viel Schlaf ist da immer die beste Maßnahme, gefolgt von optimaler Regeneration wie Stretching, Sauna oder Massage.(Franziska Zoidl, 25.12.2020)