"Gib dem Brot die Seele zurück." Das steht in großen Lettern auf einem der ältesten Gebäude in Graz. Es ist die Zentrale der Bäckerei Martin Auer am Dietrichsteinplatz. Geschäftsführer Martin Auer hat schon in frühen Jahren eine Mehlallergie entwickelt. Das hat ihn nicht aufgehalten, einer der traditionsreichsten Bäckereien der Stadt wieder Leben einzuhauchen. Ganz im Gegensatz zu seinem Namensvetter Hubert Auer. Ihm ist der Aufsprung auf den Brot-Hype-Zug nicht gelungen. Der zweite Platzhirsch der Stadt mit dem Namen Auer musste Insolvenz anmelden.

Martin Auer hingegen verbrachte für die Wiederbelebung des Sauerteig-Business trotz Allergie natürlich viel Zeit in der Backstube, um an neuen Rezepten zu feilen. Aber eben auch in diversen Branding-Agenturen, die Filiale und Verpackung einen gänzlich neuen Look verliehen.

In Wien hat Josef Weghaupt diesen Weg ab 2009 beschritten. 2011 eröffnete er sein erstes Geschäft. Die Filiale war sein letzter Versuch, bevor er mit seinem Projekt "Gutes Brot anstatt bloßes Füllmittel" wieder aufhören wollte, erzählt Weghaupt. Den Vertretern der Gastronomie schmeckte sein "Joseph Brot" zwar, aber die Preise, hieß es, zahle doch keiner. Doch das Brot, das er im Qualitätsmanagement eines Großbetriebs mithalf zu produzieren, wollte er nicht mehr herstellen und auch nicht essen.

Bevor Josef Weghaupt Joseph Brot gründete, arbeitete er im Qualitätsmanagement eines Industriebetriebs für Brot und Backwaren.
Foto: Joseph Brot

Für Josef Weghaupt sind das Branding und die Aufmachung von Filialen und Co die logische Konsequenz aus dem Fokus aufs Produkt, das hochwertige Brot. Das schaffe man nur mit hochwertigen Zutaten und auch, indem man alle Komponenten – und das seien einige – im Produktionsprozess beachte: "Wenn ich jahrelang an meinen Rezepten feile und mir in mühsamer Kleinarbeit Beziehungen mit guten Produzenten aufbaue, dann werde ich doch nicht hergehen und mir Pressspanplatten und Plastikfurnier in die Filiale stellen."

Die Joseph-Brot-Filialen sind hochwertig eingerichtet, kommen aber ohne prominentes "Joseph Brot"-Schild aus. Hier die neueste Filiale in Währing, im ehemaligen Musikgeschäft Tinter.
Foto: Joseph Brot

Gutes Brot hat Hand, Fuß und Charakter

Josef Weghaupt wollte Lebensmittel und keine Füllmittel herstellen. "Wenn ein Brot auf dem Tisch liegt und man keine Ahnung hat, ob es bio ist, welcher Sauerteig benutzt wurde und so weiter, dann muss es trotzdem schmecken. Dann ist es gutes Brot." Geschmack sei die einzig wichtige Qualitätsbeurteilung. Geschichte und Marketing seien nur das Mascherl auf dem Paket. Und schlechtes Brot schmecke schlicht nicht.

"Wir Bäcker haben auch eine Leidenschaft, es ist uns ein Anliegen, dass das Endprodukt gut ist", sagt Weghaupt. Wie der Handel den Erfolg von hochwertigen Lebensmitteln wie gutem Brot für sich nutze, mache ihn traurig. Denn Geschichten vom Essen zu erzählen, das könne auch reines Marketing sein. Funktionieren würde es nur, weil es eben auch Produzenten wie einige Bäcker in Österreich gebe, die ihr Handwerk leben und hochwertig arbeiten. Das ziehe sich bis hin zur Kommunikation, sagt Weghaupt, starte aber jedenfalls beim Produkt.

Inzwischen ist gutes Brot in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Von einem Trend zu sprechen hält Weghaupt daher für nicht ganz korrekt: "Ein Trend kommt und geht. Aber Brot ist 'here to stay'."

Ob er sich damit auch die Idee des Szenegastronomen und Betreibers des Motto am Fluss, Bernd Schlacher, erklären könne, jetzt als Gastronom eine eigene Bäckerei zu eröffnen? "2009, als niemand meine Brötchen kaufe wollte, hat Bernd Schlacher als Einziger auf mich gesetzt", sagt Weghaupt. Er hat erkannt, dass hochwertiges Brot eine wichtige Visitenkarte für ein Restaurant ist. Nun sei der Gastronom offensichtlich schlicht nicht mehr gewillt, diese Visitenkarten auszulagern.

Das Brotregal im neuen Motto Brot in der Mariahilfer Straße.
Foto: Andy Urban

Gutes Brot, gutes Lokal, guter Mensch

Lässt man im Kopf einige der besten Lokale Österreichs und deren Brotangebot Revue passieren, so scheint das Brot inzwischen tatsächlich einen besonderen Stellenwert einzunehmen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man im Sternelokal mit den trockenen Wecken, die da gereicht wurden und die ohnehin jeder ignorierte, Fensterscheiben einschlagen konnte. Heute heißt es: "Welche der 757.424 Sorten darf es sein? Marille mit Sauerteig, Roggenvollkorn, glutenfrei mit Haselnuss oder Emmerkorn mit Dinkel?" Im Restaurant Steirereck im Stadtpark fährt der wohl bekannteste Brotexperte der Stadt, der Brot-Andi, sogar mit einem eigenen Brotwagen vor. In anderen Lokalen wie dem Mast Weinbistro steht groß auf der Karte, dass man hier Öfferl-Brot reicht.

Georg Öfferl (3. v. li.) und Lukas Uhl (2. v. li.) sind die Menschen hinter Öfferls hochwertigen Brotrezepturen.
Foto: Öfferl

Georg Öfferl war, als Joseph Weghaupt seine erste Filiale eröffnete, gerade einmal 20 Jahre alt. Nach Wanderjahren und Ausbildung schloss sich der heute 29-Jährige dem Familienbetrieb an. Heute ist Öfferl neben Joseph Brot und der Bäckerei Gragger in Wien ein Name, der sofort fällt, wenn es um gutes Brot geht. Vor etwas mehr als einem Jahr haben die Weinviertler Bäcker in der Wollzeile ihre erste Filiale in Wien eröffnet. Zeit und Geld für den Umbau wurden weit unterschätzt. Betritt man jetzt die Räume, in denen grauer Sichtbeton und polierter Stahl dominieren, fragt man sich auch nicht lange, warum. Hier durfte nichts rein, was nicht hochwertig und genau durchdacht war. Genauso wie es sich eben auch mit ihren Broten bis hin zum Kaffee verhalte, sagt Lukas Uhl, Cousin von Öfferl und Mitbetreiber des Brotprojekts.

Die Öfferl-Filiale in der Wiener Wollzeile.
Foto: Bäckerei Öfferl

"Bei uns kann man auch Sauerteige kaufen. Da geben wir auch unsere Rezepte dazu", sagt Uhl. Das sei für sie alle selbstverständlich, denn nur so könne man Verständnis dafür schaffen, dass gutes Brot eben auch seinen Preis habe sowie Zeit und Wissen benötige. Und gutes Brot habe nichts mit elitärem Denken zu tun. "Bei uns kaufen alle möglichen Leute ein. Natürlich auch Menschen mit mehr Geld, aber auch der Student, der sich am Wochenende eben einmal ein gutes Brot leisten möchte", sind sich Lukas Uhl und Sandra Schaffer, Cousine von Georg Öfferl, einig.

Schaffer ist die Stimme des Unternehmens. Sie ist Ansprechpartnerin für das Personal und trug die Geschichte von Öfferl-Brot an die Öffentlichkeit. Abgesehen davon, dass man sich an gutem Brot nie abesse, müsse man aber schon auch über seine Taten sprechen, um die Kunde zu verbreiten, dass gutes Brot eben eine gute Sache sei. Ganz nach dem Motto "Tu Gutes und sprich darüber", meint Schaffer, freuten sie sich natürlich schon, wenn jemand ihr Brot fotografiere und auf Instagram stelle. Noch vor 20 Jahren wäre es niemandem im Traum eingefallen, öffentlich zu machen, was für ein Brot man esse.

Harald Friedls Film über Brot kam 2020 in die Kinos.
Filmladen Filmverleih

Oder einen Film über Brot zu drehen, wie es Regisseur Harald Friedl getan hat. Und obwohl gutes Brot anscheinend inzwischen tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist: Gastronom Schlacher dürfte dennoch freudig über die Menschenschlange überrascht sein, die sich seit der Eröffnung seiner Bäckerei in der Mariahilfer Straße regelmäßig dort bildet. (Nina Wessely, 15.12.2020)