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Worum immer die Frühstücksgebetsliga im Parlament den Herrn angefleht hat – hoffentlich ist auch das eine oder andere gute Wort für den Innenminister abgefallen. Der Mann ist ein Opfer seines Jobs, und glaubt man seiner Öffentlichkeitsarbeit, müsste man sich um seine psychische Verfassung glatt Sorgen machen.

"Ein Stakkato an Krisen und Katastrophen"

Mehr als ein Monat liegt der Terroranschlag von Wien nun zurück, und Karl Nehammer ist noch immer aufgewühlt, wie er diese Woche in der "Krone bunt" gestand. Kein Wunder. Gleich das Premierenjahr ein wahres Annus Horribilis. Ein Stakkato an Krisen und Katastrophen. "Die Terrornacht war das Schlimmste. Hier bin ich an diesem Montag gesessen, als der Notruf kam", zeigt der Innenminister auf seinen Platz am langen Besprechungstisch, den er als Schreibtisch nützt.

Ein historischer Ort. Die ganze Nacht hindurch Telefonschaltungen, Krisenmanagement, TV-Einstiege, Appell an die Leute, "dringend daheim zu bleiben und die Polizei nicht durch Fehlinfos zu behindern. Dann kurz heim, duschen und um 6 Uhr Früh schon wieder die erste Pressekonferenz. Wenn einer in dieser Nacht Übermenschliches geleistet hat, dann er, und es wäre schade, das den "Krone"-Lesern vorzuenthalten. Der Ex-ÖVP-Generalsekretär hat schließlich seinen Master-Titel in Politischer Kommunikation an der Donau-Uni Krems nicht vergeblich bei Peter Filzmaier als Professor gemacht. Blöd war nur, dass letzten Sonntag das Titelbild dem Nikolo heuer, wie er wirklich war, vorbehalten blieb.

Vorne prangte Karl-Heinz Grasser

Gleiches Pech ein paar Tage später beim "Insider" von "Österreich". Da durfte er im Inneren zwar zur Sicherheitslage schwadronieren, aber vorne prangte Karl-Heinz Grasser mit seinem "Ich bin schockiert". Was Nehammer zu der Gefährdungslage durch den islamistischen Terror zu sagen hatte, war hingegen wenig aufwühlend. Die Wochen nach einem Anschlag, das zeigen internationale Beispiele, bringen eine angespannte Situation mit sich, aber auch eine Erkenntnis, die man niemals erwartet hätte: Aufgrund der Ermittlungsergebnisse kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Täter auch Opfer in Kirchen suchen wollte.

Vielleicht verschweigt er ja Wichtiges aus ermittlungstaktischen Gründen, aber es war doch ein raffinierter Schachzug, dass er deshalb bereits vor zwei Wochen dem Einsatzkommando Cobra den Auftrag gegeben hat, die Kirchen und Synagogen verstärkt zu überwachen.

"Das Virus zipft alle an"

Ähnlich entschieden schreitet die Aufarbeitung möglicher Pannen im Verfassungsschutz vor dem Terroranschlag voran. Die Ermittlungsgruppe 2. November arbeitet seit Wochen auf Hochtouren. Mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler, Spezialisten aus ganz Österreich, sind dort tätig. Bei den Tatverdächtigen wurde eine große Zahl von Datenträgern sichergestellt, Und kaum zu glauben: Diese werden jetzt akribisch ausgewertet. Da geht etwas weiter, und das unter ungünstigen Umständen, muss der Minister doch einräumen: "Das Virus zipft alle an – auch mich natürlich." Das ist der Dank für die Opfer, die er darbringt.

Neben dem amtierenden Berufshabsburger, der sich eine Woche nach der "Krone" in "News" über die Berufsrepublikaner in Österreich zu mokieren geruhte, hat nun auch Interviewerin Conny Bischofberger, jetzt "Krone", vormals "Kurier", in Letzterem gestanden, ein Buch für den Weihnachtsmarkt verfasst zu haben, dessen Quintessenz das Blatt so zusammenfasst: "Ab 50 muss man in der Liebe kreativ sein". Das sollte beim Dichten von Romanen auch nicht schaden, aber die Idee, eine Liebe per Mailverkehr zu betreiben, hatte – mit großem Erfolg – schon Daniel Glattauer.

Überhaupt ist es mit dem Schreiben eine verflixte Sache

Überhaupt ist es mit dem Schreiben eine verflixte Sache, wenn es über Interviews in der "Krone" hinausgeht. Einen Roman zu schreiben ist keine leichte Aufgabe, weil es eine Handlung braucht und es in jedem Moment spannend bleiben muss, jammert Frau Bischofberger vom Leiden einer Romancière. Sich selber stellt sie, von der Autorin in die Rezensentin wechselnd, das beste Zeugnis aus. Obwohl es ein Liebesroman ist, ist der Text sehr temporeich, aber zugleich sehr prickelnd und sinnlich geworden.

Und das, obwohl die Hauptfigur diesen Mailverkehr Pingpong nennt. Die Mails schießen wie Tischtennisbälle hin und her, manchmal in Sekundenschnelle. Bei einer solchen erotischen Hetzerei ist es nicht leicht, kreativ zu bleiben, egal in welcher Altersstufe. Verständlich, dass der Pingpong-Partner den Mailverkehr bald einstellt, was, wie Menschen unter 15 wissen, "Ghosting" heißt, womit auch über 50-Jährige etwas gelernt haben. (Günter Traxler, 13.12.2020)