US-Präsident Donald Trump (Mitte) schenkt König Mohammed VI. (rechts) quasi die Westsahara – und der Monarch normalisiert die Beziehungen zu Israel, was Premier Benjamin Netanjahu (links) politisch zugutekommt.

Foto: AFP / Handout / Maya Alleruzzo / Tasos Katopodis

Obwohl es die Spatzen lange von den Dächern gepfiffen haben, kam es dann doch als Überraschung: Marokko normalisiert – als vierter arabischer Staat seit dem Sommer – die Beziehungen zu Israel, und im Gegenzug erkennen die USA die Souveränität Marokkos über die Westsahara an.

Womit man bei einem Wahlsieg von Donald Trump fix gerechnet hatte, kommt nun insofern unerwartet, als ein scheidender Präsident selten eine jahrzehntelange US-Politik auf den Kopf stellt. Obwohl Washington, nicht erst seit Trump, schon länger der Position Marokkos zuneigte, gab es formell doch nicht seine Neutralität auf.

Laut Uno-Resolutionen hätte in der ehemaligen spanischen Kolonie längst ein Referendum stattfinden sollen. Mit diesem Versprechen wurde 1991 ein jahrzehntelanger Krieg beendet, den die Unabhängigkeitsbewegung Polisario vor allem mit algerischer Unterstützung gegen Marokko, das das Gebiet kontrolliert, führte. In den vergangenen Wochen waren wieder Kämpfe ausgebrochen: Ausdruck der wachsenden Unruhe.

Ausschluss der Betroffenen

Trumps Nahost-"Friedensplan" wird immer mehr zum transaktionalen Gesamtkunstwerk. Der Fortschritt bei der israelisch-arabischen Normalisierung ist beeindruckend und positiv; wie sie erreicht wird, birgt durch den völligen Ausschluss Betroffener aus dem Prozess – nach den Palästinensern jetzt die Sahrawis – Gefahren. Im Fall des Sudan, des dritten Staats nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, war harter Druck im Spiel.

Für Marokko bedeutet die US-Anerkennung viel. Aber während die USA und einige arabische Staaten (Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Jordanien) nun nach und nach in der Westsahara Konsulate eröffnen, wird die restliche internationale Gemeinschaft mit der Anerkennung eher nicht nachziehen. Moskau nannte am Freitag das US-Vorgehen einen "internationalen Rechtsbruch".

Politisch ein großer Schritt, ist die Herstellung normaler Beziehungen zwischen Rabat und Jerusalem eigentlich eine Formalisierung einer Tatsache. So betonte Premier Benjamin Netanjahu denn auch, dass es sich um einen "warmen" Frieden handeln werde. Israelische Touristen sind jetzt schon in Marokko willkommen, etwa eine Million Israelis sind marokkanischstämmig.

Geheimdienstliche Zusammenarbeit

Bekannt ist auch eine jahrzehntelange geheimdienstliche Zusammenarbeit der beiden Staaten, sie richtete sich zuletzt gegen den islamischen Extremismus, aber der Mossad soll bereits 1965 bei der Beseitigung des marokkanischen Oppositionellen Mehdi Ben Barka in Paris seine Hände im Spiel gehabt haben. In den 1970er-Jahren agierte König Hassan II. als Wegbereiter des Friedensschlusses zwischen Israel und Ägypten. Im Verlauf des Oslo-Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern eröffneten Rabat und Jerusalem Verbindungsbüros, die jedoch mit dem Ausbruch der Zweiten Intifada im Jahr 2000 geschlossen wurden. Jetzt werden sie wieder eingerichtet.

Ein Hinderungsgrund für den marokkanischen König war bisher wohl seine Position als Vorsitzender des (nicht sehr aktiven) Jerusalem-Komitees der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Der König trägt den Titel "Prinz der Gläubigen". Die Islamisten sind in Marokko politisch stark: Die größte Partei ist die ursprünglich der Muslimbruderschaft nahestehende PJD, die auch den Premierminister, Saadeddine Othmani, stellt.

Starke Islamisten

Marokko hat einen starken radikalen Untergrund, marokkanische Jihadisten waren im "Islamischen Staat" überdurchschnittlich vertreten. Dazu kommt, dass Mohammed VI. bei weitem nicht das persönliche Standing bei der Bevölkerung – und auch nicht die Härte – seines Vaters Hassan II. hat. Allerdings ist die Westsahara-Frage für viele Marokkaner eine des nationalen Selbstverständnisses, insofern ist das ein bedeutender Erfolg für den 57-jährigen König. Dazu wird es US-Finanzhilfe – und noch mehr finanzielles Engagement der Vereinigten Arabischen Emirate – und einen US-Drohnenverkauf an Marokko geben.

Telefonisch versicherte Mohammed VI. dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, dass er weiter zur Zweistaatenlösung stehe. Die "New York Times" zitiert Hanan Ashrawi (die soeben die PLO wegen deren Reformunfähigkeit verlassen hat): Es habe etwas "extrem Unmoralisches", wie die USA die "Bedürfnisse" von Ländern ausnutzten. Trump hat jedoch sogar Kritiker in der eigenen republikanischen Partei. Senator James Inhofe, Chef des Verteidigungsausschusses, beschuldigte ihn, "die Rechte eines Volkes ohne Stimme" als Handelsware eingesetzt und aufgegeben zu haben. (Gudrun Harrer, 11.12.2020)