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Je einfacher der Stil einer Erzählung ist, desto schneller liest man sie. Normalerweise zumindest. So knapp und klar, wie die argentinische Autorin Agustina Bazterrica ihre Formulierungen hält, müsste "Wie die Schweine" eigentlich Maximaltempo ermöglichen ... wäre da nicht der Inhalt, der einen immer wieder innehalten lässt oder auch mal dazu zwingt, das Buch zuzuklappen und eine Erholungspause einzulegen. Immerhin dreht sich dieser wirklich beeindruckende Roman um die Zucht von Menschen als Schlachtvieh.

Nach dem Übergang

Worldbuilding ist in aller Regel der Aspekt, auf den Autoren mit literarischem Ansatz den wenigsten Wert legen, wenn sie sich der Phantastik annähern. Bazterrica, die sich schon in früheren Erzählungen an der Grenze von Mainstream- und Genreliteratur bewegt hat, wahrt aber wie in allen anderen Punkten auch in diesem die Balance. Und liefert gleich zu Beginn gerade so viel an Exposition, dass ihr Szenario nicht völlig in der Luft hängt.

Vor dem Übergang, aus dem die Romanwelt hervorgegangen ist, hat eine Pandemie sämtliche Nutztiere mit einem tödlichen Virus infiziert und ungenießbar gemacht. Doch die Lust auf Fleisch ist den Menschen geblieben, Kannibalismus war die logische Folge. Es wird aber auch mehr oder weniger offen darüber gemunkelt, dass es dieses Virus möglicherweise nie gegeben habe und dass der staatlich sanktionierte Kannibalismus in Wahrheit ein Mittel sei, die Überbevölkerung einzudämmen und die Gesellschaft unter Kontrolle zu halten.

"Was ein Mensch ist, aber nie eine Person sein wird"

Hauptfigur des Romans ist Marcos Tejo, Sohn eines Schlachters, der Tiermedizin studiert hat, als es noch Tiere gab, und dann den Beruf des Vaters ergreifen musste, als dieser an Demenz erkrankte. Auch Marcos' Frau ist nicht mehr da, ausgezogen, nachdem die beiden ihr Baby verloren haben. Außer der Arbeit ist ihm nichts geblieben, und so lernen wir über Marcos, der wie betäubt seiner Routine nachgeht, das System kennen.

Wir lesen davon, wie die Menschen in Käfighaltung mit Wachstumshormonen vollgepumpt werden und dass ihnen die Stimmbänder entfernt werden, damit man ihre Schreie nicht hören kann. Mehr scheint gar nicht nötig zu sein, die Opfer sind fügsam. Ihre Entmenschlichung wirkt vollständig gelungen – ob durch gezielt herbeigeführten Hospitalismus oder Gentechnik, bleibt offen. Natürlich wird nicht von "Opfern" oder "Menschen" gesprochen, sondern nur von "Stück" und von "Spezialfleisch". Worte sind mächtig, wie Bazterrica im Verlauf des Romans immer wieder betont; sie bilden Wirklichkeit nicht nur ab, sie erschaffen sie auch.

Wie mächtig sie sind, diese Erfahrung macht man auch beim Lesen immer wieder, wenn ganz harmlos klingende Wörter wie "Melkbereich" oder "Deckhengst" plötzlich auf Menschen angewandt werden. Und das sind noch die harmloseren Irritationsmomente, die einem der Roman beschert. Mit kühler Sachlichkeit wird auch der Schlachtungsvorgang selbst in allen Einzelheiten beschrieben – und schlimmer als das ist nur noch der unfassbare Zynismus, der immer wieder zu Wort kommt. Etwa wenn ein Gerber die Haut als "Spiegel der Seele" bezeichnet und das ausschließlich auf den Faktor Produktqualität bezieht.

Wir sind das System

Worauf Bazterricas Szenario abzielt, das wird von Leser zu Leser wahrscheinlich unterschiedlich wahrgenommen werden. In der engsten Interpretation geht es um die Fleischindustrie und unseren Umgang mit zwar weniger intelligenten, aber emotional hochkomplexen Lebewesen. Im weiteren Sinne geht es aber auch um ein menschenverachtendes Wirtschaftssystem, das die Ausbeutung auf die letztmögliche Spitze getrieben hat. Und am weitesten aufgefasst geht es ganz allgemein darum, wie ein System nur durch die Konformität derer, die in ihm leben, existieren kann.

Auch Marcos macht mit, obwohl er Anzeichen der Dissidenz zeigt. Er isst kein Fleisch und weigert sich, einige der beschönigenden Ausdrücke zu benutzen, die die offizielle Sprachregulierung vorgibt. Er würde gern Gräueltat sagen, Unbarmherzigkeit, Exzess, Sadismus. Aber er schweigt und lächelt. Denn Marcos braucht das Geld für das Pflegeheim seines Vaters – und solche Rechtfertigungen kann jede Figur im Roman vorbringen. Als Marcos aber eines Tages von einem Züchter, der sich mit ihm gutstellen will, ein "Weibchen" geschenkt bekommt, gerät sein mühsam aufrechterhaltener Alltag aus der Balance.

"Das ist ja das Wunderbare: Dass wir unseren primitiven Kern mit Wohlwollen betrachten"

Parallel zu Marcos' individueller Geschichte zeichnet Bazterrica auch die Konturen der Zukunft für die Gesellschaft als Ganzes. Denn längst ist die heuchlerische Unterscheidung zwischen Mensch und "Spezialfleisch" nicht mehr so trennscharf, wie man den Bürgern glaubhaft machen will. Angehörige eines Opferkults gehen freiwillig ins Schlachthaus, wer verschuldet ist, kann sich als Jagdbeute zur Verfügung stellen (und muss hoffen, dass er innerhalb der vereinbarten Frist nicht erlegt wird), auf dem Schwarzmarkt wird Fleisch mit Vor- und Nachnamen gehandelt. Und kurz vor der eigentlichen – und vielleicht nicht ganz überraschenden – Schlusswendung geschieht etwas, das andeutet, wohin dieses System zwangsläufig führen muss: in die endgültige Rückkehr zum Tierhaften.

Beeindruckender Roman, unbedingt empfehlenswert.