Wer lange gut ohne Einkaufen im Internet ausgekommen ist, hat vielleicht im Corona-Jahr umgeschwenkt. Das Paketaufkommen ist kräftig gestiegen.

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Wien – Der im Onlineshop erstandene USB-Stick will nicht und nicht kommen. Es folgen endlose Telefonate mit unterschiedlich motivierten Mitarbeitern des großen Elektrohändlers. Die wollen sehen, was sie tun können, oder verweisen das Problem in den Zuständigkeitsbereich des Zustellers. Der erklärt, dass ganz gewiss die Konkurrenz verantwortlich sei.

Eine unendliche Geschichte, wie sie viele kennen. War es Pech, oder hat die Sache System? Der Paketboom ist jedenfalls real. Die Post hat die Million Pakete pro Tag bei der Auslieferung geknackt und liegt teilweise knapp 40 Prozent über Vorjahresniveau. Man stoße nahe an die Kapazitätsgrenzen, mitunter führe dies zu Einschränkungen bei der Auslieferung für Großversender, heißt es. Manche Pakete kommen also später an.

Auch bei DPD wurden die Erwartungen weit übertroffen. Der zur französischen Post gehörende Dienstleister schleust zu Hochzeiten hierzulande 367.000 Pakete durch sein System und rechnet mit mehr. Ein Wachstum, das seit Jahren nicht aufhört. 249 Millionen Pakete wurden 2019 durch Österreich gekarrt, 15 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Corona-bedingten Lockdowns befeuern Online-Einkauf und Paketversand. Von einem doppelt so starken Wachstum wie vor der Krise geht WU-Professor Sebastian Kummer aus. "Ich denke, das hohe Niveau wird anhalten, da die Menschen die Vorteile sehen", meint Kummer.

Mehr Beschwerden

Bei der Postschlichtungsstelle der RTR schlug das erhöhte Aufkommen in der Beschwerdestatistik mit 352 Schlichtungsanträgen bis November nieder – angesichts der Paketmengen überschaubar. Ulrike Weiß, Konsumentenschützerin der AK OÖ, vermeldet einen leichten Anstieg der Klagen: "Wir befürchten aber, dass auf Weihnachten hin alles viel weniger rund läuft."

Probleme, die häufig auftreten: Der Paketbote läutet nicht, sondern hinterlegt das berühmte Zetterl. Das ist rechtlich nicht zulässig. Die AK empfiehlt eine Beschwerde beim Transporteur. Eine Entschädigung für die verlorene Wartezeit gibt es nicht. Auch das Packerl beim Nachbarn abstellen geht nicht. Der Empfänger muss die Lieferung in Händen halten, damit sie in seinen Besitz übergeht. Wird das Paket beschädigt oder geht verloren, trägt der Versender das Risiko – wurde bei einem Unternehmen bestellt, muss dieses erneut liefern.

Warnung vor Fake-Shops

Derzeit seien aber Fake-Shops ein Riesenproblem, sagt Weiß. Das Niederschmetternde: Stellt ein Konsument fest, dass er Betrügern auf den Leim gegangen ist, bezahlt hat und die Ware nicht bekommt, könne man wenig tun – außer hoffen, dass man beim Zahlungsdienstleister auf offene Ohren stößt. Weiß fordert, dass der Gesetzgeber die Zahlungsdienstleister stärker in die Pflicht nimmt – und Konsumenten besser schützt. Laut Weiß würden Betrüger sogar Gütezeichen fälschen.Derzeit hätten beim Internetombudsmann angeprangerte Fake-Shops immer noch Zahlungskooperationspartner.

Doch zurück zum USB-Stick. Der kam zu guter Letzt doch noch beim Kunden an. Ausgeliefert wurde er von einem hektischen Paketkurier.

Man sieht sie derzeit besonders oft. Vollbeladen im Stiegenhaus, irgendwo im Schnee steckend, mit Stirnlampen abends unterwegs. Immer unter Druck, oft unter zweifelhaften Bedingungen, wie Susanne Bauer sagt. Die Leiterin der Abteilung Marktforschung der AK Steiermark fordert im Zustellbereich eine Versenderhaftung bis zum letzten Glied, also bis zur Haustür. Die großen Riesen – neben der Post und DPD etwa die niederländische GLS, Hermes, die Fedex-Tochter TNT, der US-Riese UPS –, denen es so weit gut gehe, würden Druck weitergeben.

Von oben nach unten

Bauer spricht von einem Drehtüreffekt. Der Logistikriese nehme den Auftrag an und gebe ihn an den Subunternehmer weiter – und so fort. Seien die mittelgroßen Transporteure mit 50 bis 100 Mitarbeitern lange Zeit noch Garant vergleichsweise stabiler Verhältnisse, auch für die Mitarbeiter, gewesen, "wird es dort schärfer", sagt Bauer, die die Branche seit Jahren beobachtet.

Die Post hat die Versandtarife für Privatkunden erhöht, beim Expressversand mit rund zehn Prozent saftig. Bei allen anderen blieben die Preise gleich. Den Druck geben die Großen weiter. Am Ende der Kette stünden Subsubunternehmer mit 2.500 Euro Umsatz brutto für sechs Tage Schwerarbeit. Blieben rund 1.500 Euro, offene Gehaltsbestandteile, vielleicht ein Schaden am Auto, auf dem der Kleine sitzenbleibt.

Auch DPD und Post haben zuletzt kräftig Personal aufgestockt, in der Distribution wie in Logistikzentren. Die DPD um 15 Prozent, die Post bis zu 1.300 Arbeitskräfte – Eigenpersonal, Leasingkräfte, Frächter. Rund 250 Pakete pro Tag hätte ein Zusteller auszuliefern, hat Bauer ermittelt, 2018 waren es 130 bis 150. Man müsse die Großen in die Pflicht nehmen und Scheinselbstständigkeit anprangern, so Bauer. Was die Konsumenten betrifft, so hätten diese sich wohl daran gewöhnt, ihren Packerln ewig hinterherzutelefonieren oder sie bei Nachbarn oder Packstationen einzusammeln. (Regina Bruckner, 14.12.2020)