Diesmal ging es fix. Egal, ob virtuell oder bei einer Runde im Kanzleramt – früher hatten sich die Beratungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit den 16 Ministerpräsidenten oft stundenlang hingezogen.
Doch am Sonntag waren keine langen Gespräche nötig, nach einer Stunde war man sich einig: Ab Mittwoch wird das Land heruntergefahren, und das bis zum 10. Jänner.
Die wichtigsten Neuerungen für die Deutschen: Läden, die nicht der täglichen Grundversorgung dienen – nebst Lebensmittelläden auch Apotheken, Drogerien und Banken – müssen schließen.
"Es ist in diesem Jahr sehr verzeihlich, wenn man nicht mit vielen Weihnachtsgeschenken glänzen kann", sagte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU). Geschlossen werden auch Friseure. Zudem müssen Kindergartenkinder und Schüler ab dem 16. Dezember zu Hause bleiben.
"Zum Handeln gezwungen"
"Wir sind zum Handeln gezwungen – und handeln jetzt auch", sagte Merkel nach dem Treffen. Eigentlich hatten die Deutschen einen so harten Lockdown, wie er Österreich im November auferlegt worden war, vermeiden wollen. Zwar wurden damals Restaurants, Bars, Cafés und Fitnessstudios geschlossen. Aber man konnte weiter shoppen, auch Schulunterricht fand statt.
Doch die Zahl der Neuinfektionen sank nur langsam, dann nicht mehr. Am Freitag der Schock: Das Robert-Koch-Institut meldete 29.875 neue Infektionen – der Höchststand im gesamten Jahr 2020. Zudem wurden an diesem Tag 598 Todesfälle verzeichnet, so viele wie nie zuvor.
Merkel hatte schon Tage zuvor in einer emotionalen Rede im Bundestag klargemacht, dass Deutschland härtere Regeln brauche, und sich dabei einem Appell der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina angeschlossen. Doch ihr sind die Hände gebunden, in Deutschland sind für den Infektionsschutz die Länder zuständig.
Doch diese feilschten diesmal nicht stundenlang um Ausnahmen oder Lockerungen. "Deutschland kann schnell das Sorgenkind Europas werden. Alle drei Minuten stirbt jemand an Corona", warnte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Gottesdienst ohne Gesang
Er verlangt in seinem Bundesland auch noch eine nächtliche Ausgangssperre. Und Sachsen, das ebenfalls sehr hohe Zahlen aufweist, zieht den harten Lockdown schon auf heute, Montag, vor.
Weihnachten wird gemäß den neuen Maßnahmen eher still. Bis zum 24. Dezember sind private Zusammenkünfte weiterhin auf den eigenen und einen weiteren Haushalt – in jedem Fall maximal fünf Personen – zu beschränken. Von 24. bis 26. Dezember jedoch dürfen Personen aus mehr als zwei Haushalten zusammentreffen, wenn es sich um enge Verwandte handelt.
Gottesdienste sind weiterhin möglich, aber nur mit Mindestabstand und Maskenpflicht auch am Platz. "Der Gemeindegesang ist untersagt", heißt es im Papier der Länder und des Bundes. Zu Silvester und am 1. Jänner gilt ein bundesweites Versammlungsverbot. Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester wird verboten.
Intensivmediziner hatten in den vergangenen Tagen vehement auf schärfere Regelungen gedrungen, da die Intensivstationen auch im gut ausgestatteten Deutschland immer voller werden. Deutschland verfügt über 33,9 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner, das sind mehr als in Österreich (28,9/100.000).
Zahlen regional unterschiedlich
Am Freitag waren gemäß Intensivregister 21.786 Plätze belegt, davon 4.552 mit Covid-19-Erkrankten. 5.198 Betten waren frei, es gibt zudem eine Notfallreserve von 11.646 Plätzen. Allerdings schwanken die Zahlen regional stark. So werden in Sachsen 34,7 Prozent der Intensivbetten von Corona-Patienten belegt, dort sind auch nur noch 13,7 Prozent der Intensivbetten frei.
Entspannter ist die Lage in Schleswig-Holstein: Nur 3,5 Prozent der Intensivbetten sind von Covid-Patienten belegt, 28,5 Prozent der Intensivbetten im nördlichsten deutschen Bundesland sind frei.
"Die Mitarbeiter auf den Intensivstationen kommen an ihre Grenzen. Unser Kernproblem ist letztendlich nicht die Verfügbarkeit von Betten und Geräten, sondern der seit Jahren bekannte Mangel an Fachpflegepersonal", warnt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Bei der ersten Welle mussten in Deutschland weniger Covid-Erkrankte auf die Intensivstation. Der Höchststand lag im April bei 2.933. (Birgit Baumann aus Berlin, 13.12.2020)