Ein neues Verkehrsnetz, eine ökologischere Energieversorgung, neue Schulgebäude: Kroatien darf sich freuen. Die historische Vereinbarung am EU-Gipfel Ende vergangenen Woche macht nach Monaten des Streits den Weg frei für das größte Konjunkturpaket, das die Union je gesehen hat. Kroatien wird davon mit Bulgarien so stark profitieren wie kein anderes der 27 EU-Länder.

Mehr als 24 Milliarden Euro wird Kroatien über die kommenden zehn Jahre aus EU-Mitteln erhalten, jubelte Kroatiens Premier Andrej Plenković vergangene Woche nach dem Gipfelbeschluss via Twitter. Das entspricht fast 50 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.

Um die Schäden für die Wirtschaft durch die Pandemie zu beheben, einigten sich die Regierungschefs auf einen umfassenden Aufbauplan. Dessen Kernelement ist ein Topf namens "Next Generation EU", der mit 750 Milliarden Euro dotiert ist. Inklusive dieses Aufbaufonds verfügt die Union über die kommenden sieben Jahre über ein Budget von 1,8 Billionen Euro. Zum Vergleich: Die Wirtschaftsleistung der EU-27 betrug im Vorjahr rund 14 Billionen Euro.

Brüssel als Schuldner

Historisch ist der Haushalt nicht nur wegen seiner Dimension, sondern vor allem wegen einer Neuerung: Mehr als ein Drittel des Geldes wird die EU über Kredite auf den Finanzmärkten ausborgen. Eine Schuldenaufnahme durch die EU, also nicht durch einzelne Mitgliedsländer, hat es schon in der Vergangenheit gegeben. Doch bisher nie annähernd in diesem Ausmaß. Das klassische EU-Budget wird durch Beiträge einzelner Staaten und nicht via Darlehen finanziert.

Das mit den Krediten hat den Vorteil, dass die EU ein besseres Rating hat als manche Mitglieder wie Italien, Spanien oder Griechenland und diese somit an günstigere Darlehen gelangt. Von den Hilfsgeldern stehen 390 Milliarden Euro als Zuschüsse bereit: Dieses Geld wird von der EU-Kommission an diverse Projekte in einzelnen Ländern ausgezahlt und muss von den Staaten nicht zurückgezahlt werden. Die restlichen 360 Milliarden werden als besonders günstige Kredite an Mitgliedsstaaten weitergereicht.

Die politisch spannende Frage ist, ob das der Einstieg in die Schuldenunion ist und welche langfristige Veränderungen die Entwicklung mit sich bringt? Denn für die Schulden der EU haften die dahinterstehenden Mitgliedsstaaten, und zwar mit ihren Beiträgen ans EU-Budget.

Von 2028 bis 2058 will Brüssel die aufgenommenen Darlehen zurückzahlen. Einen Teil des Betrags will die Kommission durch neue Eigenmittel begleichen. Zur Diskussion stehen ein EU-weiter CO2-Zoll, eine Digitalabgabe oder die Finanztransaktionssteuer. Dafür will Brüssel bis Mitte nächsten Jahres Vorschläge auf den Tisch liegen.

Aber was, wenn es der EU nicht gelingt, neue gemeinsame Budgetmittel aufzutreiben? Das Projekt einer Finanztransaktionssteuer ist fulminant gescheitert, gut möglich also, dass die EU auch 2028, wenn die ersten Rückzahlungen anstehen, wegen Einwänden einzelner Länder keine neuen Mittel zur Verfügung haben wird.

Und es stellen sich auch delikate Verteilungsfragen. Die Mittel aus dem Fonds werden nach einer speziellen Formel aufgeteilt. Neben der Bevölkerung und dem Wohlstand spielt auch mit, wie hoch die Arbeitslosigkeit in einem Land ist und wie sehr es von der Pandemie betroffen war. Das führt dazu, dass Kroatien hohe Zuschüsse bekommt.

Auch Griechenland wird Gelder in Höhe von fast neun Prozent der Wirtschaftsleistung bekommen, Portugal, Spanien, Italien und die Slowakei erhalten ebenfalls hohe Summen. Im Fall Österreichs ist das anders. Österreich erhält laut dem Brüsseler Thinktank Bruegel zwischen drei und vier Milliarden Euro aus dem EU-Topf als Zuschuss. Doch das Land mit starker Wirtschaft und im Vergleich niedriger Arbeitslosenquote müsste insgesamt rund 15 Milliarden zurückzahlen. Eben unter der Annahme, dass keine EU-Mittel aufgetrieben werden.

Von Raumfahrt bis Sozialhilfe: Die EU hat viel vor, nun auch schuldenfinanziert.
Foto: AFP

Nicht wenige im Finanzministerium in Wien sprechen daher von einem schlechten Geschäft für die Republik. Das erklärt auch, warum Österreich gemeinsam mit einigen anderen wie den Niederländern, Schweden, Finnland auf der Bremse stand.

Noch schlimmer: Für manche österreichischen Diplomaten könnten die Zuschüsse das Ende der Union einläuten, wie sie erzählen. Die Zuschüsse werden ohne Bedingungen ausgezahlt, Italien oder Griechenland müssen keine Reformen nach den Wünschen der Gläubiger durchführen, wie bei vergangenen Hilfsprogrammen nach der Eurokrise.

Geht es der EU gut, geht es Österreich gut

Das sehen nicht alle so. "Von einer Schuldenunion kann man nicht sprechen", sagt Philipp Heimberger vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche. Schließlich gehe es um EU-Mittel, die zweckgebunden verteilt würden, und nicht um gemeinsame Anleihen, die jede Regierung nach Gutdünken verwenden könnte. Um Geld aus Brüssel zu erhalten, müssen konkrete Projekte genehmigt werden. Als kleine Volkswirtschaft, die von der EU stark profitiert hat, sollte Österreich wissen, wie wichtig es ist, dass Länder wie Italien gut durch die Krise kommen, gibt Heimberger zu bedenken. (Leopold Stefan, András Szigetvari, 14.12.2020)