Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger hat eine Erklärung für die niedrige Testteilnahme in seiner Stadt gefunden.

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Wiener Neustadt – Nur 15 Prozent der Bevölkerung haben in Wiener Neustadt am vergangenen Wochenende an den Massentests teilgenommen. Der Bürgermeister der Industriestadt hat dafür eine Erklärung parat: "Das ist nicht gut so, aber ich führe das auf die Zusammensetzung in der Stadt zurück", sagte Klaus Schneeberger (ÖVP) zum ORF Niederösterreich. "Wir haben einen riesengroßen Migrationsanteil, und leider sind die Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund spärlich da, sich entsprechend testen zu lassen." Laut Statistik Austria hatten im Jahr 2019 26,9 Prozent der Wiener Neustädter Migrationshintergrund.

Die in Wiener Neustadt oppositionellen Grünen erachten Schneebergers Statement als rassistisch: "Die Aussage ist unhaltbar und eindeutig rassistisch und entbehrt jeglicher Grundlage. Im Kampf gegen das Virus und für unsere Gesundheit spielen Sprache, Herkunft oder Glaube keinerlei Rolle", sagt der grüne Gemeinderat Michael Diller-Hnelozub. "Klaus Schneeberger fördert Spaltung, wo es Zusammenhalt braucht. Wir erwarten einen öffentlichen Widerruf und eine Richtigstellung."

Anfrage im Gemeinderat

Die Grünen haben auch eine Anfrage im Gemeinderat gestellt. Darin wollen sie wissen, auf welchen Beobachtungen Schneebergers Aussage fußt, welche Informationen für Wiener Neustädter mit nichtdeutscher Erstsprache zur Verfügung gestellt wurden und an welcher Definition von Migrationshintergrund der Bürgermeister ansetzt.

Die grüne Klubobfrau im Rathaus, Selina Prünster, findet es "nicht hinnehmbar, dass ein bestimmter Teil der Wiener Neustädter*innen als testfaul hingestellt wird". Der Bürgermeister sei "für alle Menschen in Wiener Neustadt zuständig und muss Solidarität und Vernunft fördern, nicht mit dem Finger auf bestimmte Gruppen zu zeigen".

Auch die NGO SOS Mitmensch zeigt sich entsetzt über Schneebergers Aussage. Er trete "nicht als Bürgermeister, sondern als Bürgerspalter auf. Statt einer sachlichen Analyse präsentiert er Sündenböcke. Doch wer seine Stadt liebt, spaltet sie nicht", sagt Sprecher Alexander Pollak.

Schneeberger verteidigt "Beobachtung"

Auf STANDARD-Anfrage rechtfertigt der Bürgermeister seine Behauptung. Es seien zwar vor Ort weder Nationalität noch Migrationshintergrund erhoben worden, die Aussage fuße aber "auf permanenter Beobachtung an den einzelnen Standorten durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", erklärt ein Sprecher des Stadtchefs, der auch VP-Klubchef im Landtag ist. Außerdem habe sich gezeigt, "dass Teststandorte in Stadtvierteln mit höherem Migrationsanteil die wenigsten Testungen aufwiesen".

Schneeberger sei auch persönlich am Samstag und Sonntag an den Teststandorten unterwegs gewesen und habe sich selbst ein Bild von der Situation gemacht. "All diese Faktoren ergaben das Gesamtbild, das der Bürgermeister im Interview mit dem ORF wiedergegeben hat", heißt es in der Stellungnahme.

Stadt verweist auf Informationsmaßnahmen

Im Vorfeld der Massentests habe es umfangreiche Maßnahmen zur Information von Menschen mit Migrationshintergrund gegeben – etwa mehrsprachige Plakate, mehrsprachige Schreiben und Informationen "über die örtlichen Migrationsvereine bzw. das Sozialservice des Magistrats". Für die Folgetests im Jänner würden gerade "weitere Informationsmaßnahmen für die Menschen mit Migrationshintergrund überlegt, um hier einen Anstieg der Zahlen zu erreichen". (Sebastian Fellner, 14.12.2020)