Mehr Hygiene, mehr Akzeptanz von Impfungen und bessere Zusammenarbeit – das Jahr 2020 hat auch Gutes gebracht.

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  • Mehr Grippegeimpfte

Auch wenn bisher in Österreich noch kein Fall von Influenza registriert wurde, ist das Land heuer besser gewappnet. Denn durch die vielen Meldungen über die Schutzwirkung von Impfungen, den breiten Aufruf, sich gegen die Grippe impfen zu lassen, um das Gesundheitssystem nicht unnötig zu belasten, die Warnungen vor Doppelinfektionen mit Grippe und Covid-19 sowie die kostenlosen und vor allem leicht zugänglichen Impfaktionen dürfte sich die Influenza-Durchimpfungsrate in Österreich von zuvor acht auf heuer rund 20 Prozent gesteigert haben. Auch wenn hier noch Luft nach oben ist, kann man in einem Land voller Impfmuffel von einem Erfolg sprechen.

  • Siegeszug des Händewaschens

Noch nie zuvor wurde so viel über Hygiene gesprochen wie im vergangenen Jahr. So richtig darüber informiert, was gründliches Händewaschen und richtiges Niesen in der Erkältungssaison bringen, war vor der Krise eigentlich nur medizinisches Personal. Dort wird seit jeher viel Wert auf Hygiene gelegt, um Infektionen zu vermeiden. Heute weiß auch der Rest der Bevölkerung, dass man für gründliches Händewaschen Seife braucht und mindestens 30 Sekunden Zeit – oder dreimal "Happy Birthday" singen. Oder dass Niesen und Husten in die Armbeuge oder ein Taschentuch vonstattengehen muss. Diese Gewohnheiten werden wir nach der Krise nicht so schnell wieder ablegen. Und auch die Masken dürften uns, selbst nach Corona, in der kalten Jahreszeit weiter begleiten, etwa in vollgestopften U-Bahnen. Insgesamt ist das ein großer Gewinn und ein Schlag gegen Erkältungskrankheiten jeder Art.

  • Herdenschutz, endlich kapiert!

Es war seit vielen Jahren der Nachsatz von Experten, wenn es um lokale Masern- oder Grippeausbrüche ging: Wer sich impft, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Bis vor der Krise war dieses Prinzip vielen unklar, oder sie hatten sich schlichtweg nicht dafür interessiert. Nun haben die meisten verstanden, was eine hohe Immunität innerhalb einer Population bringt. Gab es zu Beginn der Pandemie die Überlegung, durch viele Infektionen einen Herdenschutz zu erreichen, ist das Mittel der Wahl nun die Impfung. Denn jeder Geimpfte ist ein Überträger weniger und unterbricht die Krankheitsübertragung wie in einer Reihe Dominosteine, in der einer stehen bleibt. Das bringt also auch jenen etwas, die nicht geimpft werden wollen oder können.

  • Impfungen: Schutz statt Gefahr

Das Thema Impfung ist derzeit Dauerthema: Ob gegen Covid, Influenza oder andere Infektionskrankheiten, nie zuvor waren Vakzine so ausgiebig Gegenstand öffentlicher und privater Debatten. Auch wenn es nach wie vor Skeptiker gibt, ist der allgemeine Tenor: Die Impfung bringt die Rettung, sie beendet diese Pandemie. Und damit haben viele erkannt, wie nützlich Impfungen für die Menschheit sind, weil sie den Organismus gegen gefährliche Erreger wappnen. Ihr Nutzen ist evidenzbasiert, mit vielen Daten belegt und unbestritten: Dort, wo Impfungen eingeführt werden, sinkt die Mortalität von Erkrankungen, gegen die geimpft wurde. Die Kindersterblichkeit ist ein eindrücklicher Parameter. Wenn in Gesellschaften geimpft wird, sterben weniger Babys und Kleinkinder.

  • Bessere Zusammenarbeit im Gesundheitssystem

"Wir wussten nicht einmal, wo es wie viele Betten gibt", hat der Kärntner Intensivmediziner Rudolf Likar nach der ersten Welle kritisiert und sich daraufhin auf eigene Faust mit anderen Intensivstationen vernetzt sowie in Kärnten ein eigenes Covid-Ärzte-System aufgebaut. Beispiele wie dieses gibt es in ganz Österreich. Mediziner, Spitäler und Pflegeheime tauschen sich aus und arbeiten eng zusammen, um dieser Pandemie zu begegnen. Auch das Wiener Intensivnetzwerk wurde im Zuge der Krise gegründet. Dort treffen sich fast alle Spitäler der Stadt einmal pro Woche per Videokonferenz, besprechen die aktuellen Infektionszahlen, diskutieren die konkreten Bedarfsanforderungen für die nächsten Tage und helfen sich, wenn notwendig, auch gegenseitig. Eine Win-win-Situation für alle, insbesondere aber für die Patienten.

  • Pharmafirmen arbeiten zusammen

Es sind Allianzen, wie es sie zuvor noch nie gegeben hat. Auf der Suche nach einer Impfung bzw. nach einem Medikament gegen schwere Covid-Verläufe ist es zu einer beispiellosen Zusammenarbeit von Unternehmen gekommen. Vor allem bei der Entwicklung von Impfstoffen gab es einen Brückenschlag zwischen den forschenden Wissenschaftern und den Pharmariesen. Neue, bahnbrechende Impfkonzepte konnten nur durch das Know-how über Logisitik, Legistik und Produktionskapazitäten so rasch umgesetzt werden. Und auch bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Covid-19 gab es ähnliche Zusammenschlüsse. Die Wissenschaftscommunity hat intensiv zusammengearbeitet und sich ausgetauscht. Parallel hat die Pharmaindustrie ihre Rolle in der Gesellschaft verantwortungsvoll wahrgenommen und der Welt vor Augen geführt, wie wichtig diese Branche doch sein kann.

  • Mehr Wissen: Viren sind keine Bakterien

Auch wenn es seit vielen Monaten immer wieder heißt, in Österreich gebe es plötzlich mehr als acht Millionen Virologen, hat das neue Wissen in der Bevölkerung dennoch sein Gutes. Viele haben sich erstmals mit dem Unterschied zwischen grippalen Infekten und der Influenza beschäftigt, mit Ansteckung, Immunität und Impfung oder damit, was Viren und Bakterien eigentlich voneinander unterschiedet. Viele wissen nun, dass Viren zur Vermehrung einen Wirt brauchen, also ein anderes Lebewesen, und dass dagegen – anders als bei Bakterien – keine Antibiotika helfen. All das zählt letztendlich zur Gesundheitskompetenz, die in Österreich grundsätzlich niedrig ist und hilft, Prävention zu fördern und sich aktiver vor Krankheiten zu schützen.

  • Anerkennung für die Pflege

Zu Beginn der Krise wurde für sie geklatscht: Menschen – die meisten davon sind Frauen – in systemrelevanten Berufen wie dem Handel oder der Pflege. Bezahlung und Prestige in diesen Branchen sind niedrig. Im Zuge der Krise gab es einmalige Bonuszahlungen und viel Anerkennung. Gleichzeitig sind Menschen in Pflegeberufen aktuell extrem belastet, durch das Tragen von Schutzkleidung sowie die psychische Belastung, so eng mit der Risikogruppe zu arbeiten und damit möglicherweise eine Gefahr für sie zu sein. Außerdem gibt es vielerorts Personalnotstände. Zwar ist das Ansehen für diese Berufe in der Krise gestiegen, eine Aufwertung durch bessere Bezahlung gab es jedoch nicht.

  • Effizienz ist kein Vorteil

Österreich meistert diese Krise gut. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Überkapazität in Österreichs Spitälern, die früher oft kritisiert wurde – also das Mehr an freien Betten, als wir zu normalen Zeiten brauchen –, das Land gerettet hat. Hier hat sich gezeigt, welche Vorteile es hat, wenn ein System nicht streng effizient funktioniert, sondern Spielraum bei Kapazitäten vorhanden ist. Es brauchte eine Krise für diese Einsicht. Das könnte ein Vorteil in zukünftigen Verhandlungen sein, wenn das Gesundheitssystem wieder effizienter gemacht werden soll. Derzeit geschieht das noch. Ein Vergleich zu Deutschland zeigt einen großen Aufholbedarf: Für das Corona-Krisenmanagement werden dort pro Kopf 302 Euro investiert, in Österreich sind es nur 55.

  • Wichtige WHO

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die gesamte Menschheit im selben Boot sitzt. In einer globalisierten Welt hat eine Weltgesundheitsbehörde deshalb eine wichtige Koordinationsrolle zwischen wohlhabenden und weniger wohlhabenden Nationen. Allerdings: Die WHO braucht finanzielle Mittel, es liegt an der Staatengemeinschaft, ihre Rolle zu stärken.

  • Psyche ist wichtig!

Dass es einem aktuell nicht gut geht und die Psyche leidet, ist eine ganz normale Reaktion auf diese schwierige Zeit. Nicht die Betroffenen selbst sind das Problem, sondern die Situation, in der wir uns alle befinden. Dafür gibt es nun ein größeres Bewusstsein, und auch dafür, dass ein psychisches Problem jede und jeden treffen kann und dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen. Hier hat eine Art Tabubruch stattgefunden, weil Corona nahezu alle Menschen belastet. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde im Sommer gesetzt: Die Österreichische Gesundheitskasse hat angekündigt, die Kontingente für Psychotherapie um 20.000 Plätze zu erhöhen. Ein wichtiger Schritt, denn die Nachfrage ist in diesem Jahr sehr stark gestiegen. (Bernadette Redl, Karin Pollack, 31.12.2020)