Gejubelt hat Julian Rzihauschek bereits wie ein Großer. Nach seinem Tischtennis-Champions-League-Sieg gegen den Portugiesen Antoine Doyen, die Nummer 872 der Weltrangliste, ließ sich der zwölfjährige Niederösterreicher auf die Knie fallen, reckte die Fäuste in die Höhe. Den Schläger warf er nicht weg. "Ich wusste, dass ich eine Chance habe. Ich kann es noch immer nicht ganz glauben", sagt Rzihauschek zum STANDARD. Endstand 6:11, 7:11, 11:7, 11:9, 6:4.

Er ist damit der jüngste Spieler, der in der Tischtennis-Champions-League an die Platte getreten ist und ein Spiel gewinnen konnte. In der Sport-Mittelschule Wittelsbachstraße in Wien könnte Rzihauschek Geschichten erzählen, frage nicht. Weil es aber einen Corona-Fall in der Klasse gibt, wird er sich womöglich nicht so bald von seinen Mitschülern feiern lassen können.

Julian Rzihauschek: "Ich will in die Weltspitze."
Foto: Imago/Müller

"Er hat keine Limits, macht instinktiv Dinge richtig. Nur der Druck und die Geschwindigkeit fehlen ihm noch", sagt Bernhard Humer, Präsident der SPG Walter Wels, die in Düsseldorf beim Champions-League-Turnier alle drei Gruppenduelle gegen Saarbrücken, Pontoise und Roskilde verlor. "Technisch spielt er schon auf höchstem Niveau. Der Franzose bekam unter dem Druck eine Eisenhand."

Schwindende Nervosität

Für Rzihauschek gestalteten sich seine drei Partien wie folgt: "Im ersten Match war ich sehr nervös, im zweiten nur mehr ein bisserl, und am Ende wusste ich, dass ich etwas erreichen kann."

Die Champions-League-Saison wurde Corona-bedingt in einem Turnier ausgetragen. Die Bubble hieß Düsseldorf. "Plötzlich stehen da die Superstars vor dir, ein Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov. Das war eine geniale Erfahrung für mich." Manche Spieler haben Rzihauschek schräg angeschaut, andere haben ihm Mut zugesprochen.

Der Deutsche Patrick Franziska (Saarbrücken) ließ ihn in in der ersten Gruppenpartie mitspielen. In den anderen Matches spielten seine Gegner dagegen mit voller Intensität. Wels-Präsident Humer fragt sich, wie er als Zwölfjähriger reagiert hätte auf die Turniereinladung. "Ich hätte wahrscheinlich drei Tage Zeit gebraucht zum Überlegen, ob ich mitfahren will."

Keine Provokation

Wegen Corona fiel Wels das halbe A-Team aus. Die mancherorts geäußerte Kritik, es sei respektlos gegenüber Weltklassespielern, wenn Kinder in der Champions League an der Platte stehen, kann Humer nicht nachvollziehen. "Wir wollten weder provozieren noch eine Sperre riskieren, haben Julian und Carl (Hodina, ebenfalls zwölf Jahre alt, Anm.) diese Chance bewusst gegeben, weil sie die größten Talente im Nachwuchs sind. Dafür wurden wir vom europäischen Verband gelobt."

In Österreich ist die SPG Wels aktuell Herbstmeister und Cupsieger. International agieren die Oberösterreicher mit einem "Micky-Maus-Budget", die Top-Adressen im europäischen Tischtennis heißen Düsseldorf oder etwa das russische Orenburg, 1.450 Kilometer östlich von Moskau. Kolportiertes Budget dank Gazprom: drei bis vier Millionen Euro. "Die Russen haben dort ein Tischtennis-Center um 20 Millionen Euro hingebaut. Wenn Sie in Wien Erdgas beziehen, dann unterstützen Sie auch Orenburg."

Für Julian Rzihauschek warten neben der Schule die nächsten Aufgaben in der zweiten Bundesliga, wo er ausgeliehen vom SVS Schwechat für Wels auf Punktejagd geht. Nach dieser Saison soll der fixe Wechsel nach Oberösterreich folgen. Das langfristige Ziel? "Ich will in die Weltspitze." (Florian Vetter, 14.12.2020)