Der Bundespräsident besucht das schöne Kärnten, medienträchtige Veranstaltung, der Landeshauptmann ist auch da, Kinder auch, das mögen die Politiker bekanntlich, also gibt es viele Fotos mit Politikern und Kindern. Der Landeshauptmann war schon vor seinem späteren Unfalltod wegen Alkoholkonsums in die Schlagzeilen gekommen, es waren Fotos aufgetaucht, die den Landeshauptmann im Kreise von Jugendlichen bei, wie man so sagt, ziemlich feucht-fröhlicher Unterhaltung zeigten. Ein Magazin schnappte sich eines der vielen bei der Bundespräsidenten-Veranstaltung entstandenen Fotos, auf dem der Landeshauptmann neben einem zwölfjährigen Buben und einem Mädchen zu sehen war, machte das zum Sujet einer Eigenwerbung und schrieb dazu: "Es muss Schluss gemacht werden mit der Alkoholausschank an Jugendliche. Die saufen doch den Kindern alles weg! – Otto Waalkes".

Dazu die Frage "Wie viel Profil hat Ihre Meinung?" und die Einladung, ein "Profil"-Abo zu bestellen. Und jetzt, wo wir den Namen des Magazins schon verraten haben, nennen wir auch den Namen des Landeshauptmanns, denn selbst wären Sie ja nie draufgekommen. Oder doch? Okay, Jörg Haider, wussten Sie doch gleich. Aber um ihn geht es hier gar nicht. Sondern um die abgebildeten Kinder.

Werbung mit Kind

Was meinen Sie: Geht das, so eine Werbung? Wir reden über Persönlichkeitsrechte, konkret: über das Recht am eigenen Bild. Nun gibt es kein generelles Fotografier- und Abbildungsverbot, sehr wohl aber kann sich der Abgebildete gegen die Verbreitung seines Bildnisses wehren, wenn dadurch seine "berechtigten Interessen" verletzt werden. Und eherner Grundsatz der Judikatur ist, dass jedenfalls dann dieses Recht am eigenen Bild verletzt wird, wenn, ungefragt, jemandes Bild für Werbezwecke verwendet wird, sodass das Publikum glaubt, er hätte sich dafür zur Verfügung gestellt. Auf diesen Grundsatz stützte sich der Zwölfjährige, der "Profil" auf Unterlassung klagte. Und überhaupt: Wie komme er dazu, dass manche Leute nun glaubten, er sei einer von denen, die "Jugendlichen den Alkohol wegsaufen"? "Profil" argumentierte, das Foto liege ja in seiner Werbelinie, die Pressefotos mit Zitaten Prominenter zur Erzielung einer satirischen Wirkung kombinierten, und wenn man ihm die Wiedergabe eines öffentlichen Ereignisses verbieten wolle, so sei das ein Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit.

Der OGH gestand zwar zu, dass es fraglich sein könne, ob hier wirklich der Eindruck entstünde, der Bub habe sich entgeltlich für Werbezwecke zur Verfügung gestellt. Aber in seine berechtigten Interessen werde schon dadurch eingegriffen, weil "sein bei der Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten aufgenommenes Bild durch Weglassen des Bundespräsidenten und – dadurch bedingt – Fokussierung auf den Landeshauptmann verändert und durch – wenngleich satirische – Aussagen zum Alkoholmissbrauch von Jugendlichen in einen gänzlich anderen und neuen Zusammenhang gestellt wurde, der mit dem ursprünglichen Auftritt nichts mehr zu tun hatte".

Missdeutungen seien hier auch deswegen möglich, weil der Bub in ein politisches Naheverhältnis gerückt werde (was der Kläger ebenfalls geltend gemacht hatte). Und wenn es schon richtig sei, dass auch kommerzielle Werbung in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit falle, so würden hier doch die Interessen des Klägers überwiegen. Das schon von der ersten Instanz ausgesprochene Verbot, das Bild des Klägers für Werbezwecke zu veröffentlichen, "hielt".

Solche Fotos von Veranstaltungen sind erlaubt.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Höchstpersönlicher Bereich

Können Kinder überhaupt der Verwendung ihrer Fotos zustimmen? Hier ein extremes Beispiel: Eine Tageszeitung hatte unter der Überschrift "Lisa-Marie (10) stürzte aus Fenster" berichtet, dass ein – aufgrund der Angaben in der Veröffentlichung identifizierbares – zehnjähriges Mädchen neun Meter aus dem Fenster eines Kinderheims gestürzt und schwer verletzt worden war. Das Kind leide unter einer Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen, benötige besondere Fürsorge und Aufmerksamkeit und lebe daher unter der Woche in diesem Kinderheim. Dem Artikel beigefügt war ein lediglich leicht verpixeltes Lichtbild, das das Mädchen mit zahlreichen Verletzungen im Gesicht abbildete. Die Mutter der Minderjährigen hatte dem Medium ein Interview gegeben, um die Vernachlässigung der Aufsicht der zuständigen Magistratsabteilung anzuprangern. Zur Veröffentlichung im Artikel übergab sie der Journalistin auch das Lichtbild des Mädchens mit den Verletzungen.

Nun klagte das Amt für Jugend und Familie als Vertreter des Kindes gegen diese Veröffentlichung – mit Erfolg. Den Einwand, die Mutter habe ja zugestimmt, verwarf das Gericht. Hier ging es um die höchstpersönliche Sphäre des Kindes, und da gibt es keine Vertretung, auch nicht durch die Mutter. Das heißt nicht, dass die Eltern das Foto ihres Kindes nicht für (harmlose!) Werbung zur Verfügung stellen könnten – es wird immer darauf ankommen, wie das Kind dargestellt wird und wie sehr das Foto in den höchstpersönlichen Bereich des Kindes geht. Entweder, ein junger Mensch ist reif genug, die Dimensionen einer Abbildung selbst zu beurteilen – dann braucht's dazu keine Zustimmung eines Erziehungsberechtigten. Oder nicht, dann ist (in heiklen Fällen) auch keine Vertretung bei der Zustimmung zur Veröffentlichung möglich. (Thomas Höhne, 22.12.2020)