Ich ersuche um Nachsicht, denn – ja, Sie haben es richtig erkannt – der Titel ist klassisches Clickbaiting. Eine reißerische Überschrift, die eine sogenannte Neugierlücke entstehen lässt, kombiniert mit einem dazu passenden Bild. In Wahrheit würde ein Anwalt in einem Qualitätsmedium natürlich weder so derb formulieren, noch eine so undifferenzierte Aussage treffen.

Doch erstens ist der zitierte Spruch, der auf Hochdeutsch in etwa "Bei der Polizei den Mund halten!" bedeutet, nicht ganz falsch, zweitens handelt er von einem wichtigen Thema: der Geltendmachung grundlegender Rechte im Strafverfahren. Schon im römischen Recht galt: Nemo tenetur se ipsum accusare – Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen. Dieser Grundsatz findet sich auch in sämtlichen modernen Strafprozessordnungen.

Viele wissen nicht, was sie bei einer Aussage alles aussagen müssen und was nicht.
Foto: Vermutlich Rechtshilfe Rapid

Das Recht, die Aussage zu verweigern

Wer als Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vernommen wird, hat bestimmte Rechte, insbesondere das Recht, keine Aussage zu machen. Theoretisch ist dieses Wissen weit verbreitet, in der Praxis scheitern erstaunlich viele Menschen in dieser ungewohnten und unangenehmen Situation daran, dieses Recht geltend zu machen. Auch gebildete, selbstbewusste, kritische Menschen stolpern oft in Aussagen hinein, die sie später bereuen, aber nicht mehr rückgängig machen können.

Das liegt mitunter daran, dass Beschuldigte im Rahmen ihrer Vernehmung zwar durch die Polizei über ihre Rechte belehrt werden, allerdings erst, nachdem die persönlichen Daten bereits aufgenommen wurden. Wer also auf Seite zwei des Protokolls belehrt wird, hat in der Regel auf Seite eins schon eine Reihe von Angaben gemacht, zu denen er nicht verpflichtet war, etwa zu Beruf, Einkommen, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse. Man ist also schon im Redefluss. Diesen zu unterbrechen erfordert eine gewisse Willensstärke.

Ohne der Polizei Böses unterstellen zu wollen, darf man wohl auch davon ausgehen, dass sie Beschuldigte meist nicht besonders eindringlich vor den möglichen Nachteilen einer vorschnellen Aussage warnt.

Nicht ohne umfassende Kenntnis aussagen

Dazu kommt der weit verbreitete Irrglaube, dass nur Schuldige schweigen würden, während Unschuldige stets aussagen. Aber wer tatsächlich unschuldig ist, gegen den sollte die Polizei in der Regel keine überzeugenden Beweise in der Hand haben. Wozu sollten Unschuldige also mit der Polizei reden? Höchstens dann, wenn auf den ersten Blick Belastendes leicht erklärt und entkräftet werden kann. Ob das der Fall ist oder man sich durch eine Aussage nur in Teufels Küche bringt, kann aber erst nach einer Akteneinsicht und mit rechtskundiger Hilfe seriös eingeschätzt werden.

Auch das verständliche Bedürfnis jener, die tatsächlich das Gesetz gebrochen haben, sich durch ein Geständnis endlich zu erleichtern und bei der Strafzumessung einen Milderungsgrund in Anspruch nehmen zu können, führt oft zu Aussagen, die mehr schaden als nutzen. Wer mehr gesteht, als man ihm ohnehin schon nachweisen konnte, wird am Ende womöglich härter bestraft. Auch hier ist also zunächst Akteneinsicht und Rechtsberatung sinnvoll.

Also, wie versprochen, weniger derb und etwas differenzierter: In der Regel ist jedem und jeder Beschuldigten dringend anzuraten, ohne umfassende Kenntnis des Aktes und ohne zuvor rechtskundige Beratung in Anspruch genommen zu haben, keine Aussage zu machen, welche über Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum und Adresse hinausgeht. Oder eben auf gut Wienerisch: "Gusch bei da He!" (Clemens Lahner, 21.12.2020)