Der Charterflieger nach Kabul aus Wien soll am Dienstag, einer aus Deutschland am Mittwoch starten.

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Vordernberg/Wien – Am Dienstag soll ein Charter-Abschiebeflieger von Wien in die afghanische Hauptstadt Kabul abheben – und diese erste Gruppenabschiebung seit Beginn der Corona-Pandemie in das von bürgerkriegsähnlichen Zuständen geplagte Land wirft ihre Schatten voraus.

Bereits am Samstag seien Afghanen aus dem Asylzentrum in steirischen Vordernberg nach Wien gebracht worden, sagt Herbert Langthaler von der Asylkoordination. Aller Wahrscheinlichkeit nach warten sie den Abflug nun in einem Wiener Polizeianhaltezentrum ab. Eine solche Inhaftnahme ist für 72 Stunden möglich.

Verzweifelter Flüchtlingsbetreuer

Verzweifelt war am Montag ein Mitarbeiter einer Flüchtlingsbetreuungsstelle, dessen Schützling ebenfalls bereits nach Wien gebracht worden ist. "Bin total erschöpft. In einer Tour de Force bei z. T. eisiger Fahrbahn ist es mir und meinem Kollegen gelungen, die vorbereiteten warmen Sachen und den Abschiedsbrief noch vor der Abfahrt des Busses ins 86 Kilometer entfernte Schubhaftzentrum zu bringen. Personenkontakt streng verboten! Aber ich hoffe sehr, dass sie ihm alles ausgehändigt haben", schrieb er.

Dem Vernehmen nach sollen bis zu 59 Afghaninnen und Afghanen aus Österreich in dem von der EU-Grenzschutzagentur Frontex bezahlten, gemeinsam mit Schweden ausgerichteten Flug in ihre ursprüngliche Heimat gebracht werden. Von der deutschen NGO Pro Asyl wiederum hieß es, dass am Mittwoch auch aus Deutschland eine Gruppenabschiebung nach Kabul erfolgen werde.

Berichte über Angriff auf Flughafen Kabul

Nach – bis dato unbestätigten – Berichten über einen kürzlichen Angriff auf den Flughafen in Kabul herrschte am Montag bei Flüchtlingsunterstützern Unklarheit, ob der Flieger tatsächlich abheben werde.

Das Innenministerium in Wien hielt sich über den Flug bedeckt. Charter-Rückführungen würden "weder im Vorfeld angekündigt" noch veri- oder falsifiziert, "zumal dies jegliche Planungen hinsichtlich der zwangsweisen Außerlandesbringung von Personen, die trotz einer rechtskräftig negativen Entscheidung und einer Ausreiseverpflichtung Österreich nicht freiwillig verlassen haben, obsolet machen würde", heißt es in der Antwort auf eine Anfrage des STANDARD.

38 Einzelabschiebungen in diesem Jahr

Auch wenn seit März keine Charter-Abschiebung aus Österreich stattfand, sei der Abtransport rechtskräftig ausgewiesener Afghaninnen und Afghanen auch unter Corona nicht gestoppt worden, steht in der Mail. Von Jänner bis inklusive November habe es 170 Ausreisen gegeben, 82 davon zwangsweise und 88 freiwillig. Bei den zwangsweisen Einzelabschiebungen habe es sich um 38 Abschiebungen nach Afghanistan und 44 Dublin-Überstellungen in andere EU-Staaten gehandelt. (Irene Brickner, 14.12.2020)