Foto: Der Spiegel, SZ

Berlin/Wien – Julian H., der vergangene Woche in Berlin verhaftete mutmaßliche Drahtzieher des Ibiza-Videos, wehrt sich über seinen deutschen Anwalt Johannes Eisenberg gegen seine Auslieferung nach Österreich. Eisenberg verweist darauf, dass das Berliner Kammergericht zwar bereits im Juli 2020 einen Auslieferungshaftbefehl erlassen habe. Allerdings habe das Kammergericht "entgegen entsprechenden Begehrs der österreichischen Behörden keine Verhaftung wegen der Beteiligung des Julian H. im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video angeordnet". Demnach halte das Kammergericht nach Ansicht des Anwalts die Beteiligung von H. an dem Video für "nicht strafbar" und eine Auslieferung wegen des Ibiza-Videos für nicht zulässig. Dem Privatdetektiv dürfte also auch nicht wegen der Herstellung und Verbreitung des Ibiza-Videos in Österreich der Prozess gemacht werden.

Verhaftet wurde H. wegen Drogendelikten sowie wegen einer versuchten Erpressung von Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der Vorwurf der Erpressung Straches über einen Bekannten von H. im Juni 2019 sei laut Eisenberg "längst widerlegt".

Anwalt spricht von "Fake-Vorwürfen"

Bei den Vorwürfen der Abgabe und des Verkaufs von Suchtmitteln handelt es sich um insgesamt knapp 2,7 Kilogramm Kokain. H. sei zu den Vorwürfen der Betroffenen "nie angehört" worden. "Wegen dieser Fake-Vorwürfe hat das Kammergericht den Auslieferungshaftbefehl erlassen und H. in der JVA (Justizvollzugsanstalt, Anm.) Moabit einkerkern lassen, ohne jede Gewährung rechtlichen Gehörs", sagt Eisenberg.

Laut dem Anwalt bestehe für H. ein "Auslieferungshindernis", da diesem in Österreich wegen seiner politischen Ansichten Verfolgung oder Strafe drohe. Sollte das Kammergericht zu einer anderen Einschätzung gelangen und die Auslieferung für zulässig erklären, will man das Bundesverfassungsgericht anrufen und prüfen, ob H. einen Asylantrag stellen könne.

Eisenberg bezeichnete die Erstellung des Videos als "Nothilfemaßnahme zugunsten der Republik Österreich": Ermittlungen gegen Strache seien erst nach Veröffentlichung des Videos aufgenommen worden. Eisenberg: "Der Antifaschist H. hat durch seine mutige Tat H.-C. Strache aus der Regierung und von der Machtposition gedrängt und die Regierungsbeteiligung der rechtsradikalen FPÖ zu beenden geholfen."

Bilanz zur Halbzeit des Ibiza-U-Ausschusses

In Österreich wurde am Montag zur Halbzeit des Ibiza-U-Ausschusses Bilanz gezogen. Die Oppositionsparteien SPÖ und Neos bezeichneten die bisherige Arbeit des Gremiums als erfolgreich. So habe man nicht nur die "Verfilzungen zwischen dem Glücksspiel und der Politik" aufzeigen, sondern auch dem "System Kurz" nachgehen können, wie die beiden Fraktionsführer, Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (Neos), sagten. Krainer will Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) erneut laden. Nach der Auslieferung soll auch H. geladen werden.

Für ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl hat der Ausschuss das Ziel der konstruktiven Aufklärung "meilenweit verfehlt". Das "eigentliche Thema Ibiza-Video und die Rolle der FPÖ" blieben völlig im Dunkeln. Die Grünen sahen hingegen Belege für eine "Spender-geleitete Politik" unter Türkis-Blau erbracht. (David Krutzler, 14.12.2020)