Bisher positionierte sich die Regierung entschieden gegen eine Impfpflicht.

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Frage: Muss man sich künftig gegen Covid-19 impfen lassen?

Antwort: Ob die Bevölkerung auf die eine oder andere Weise dazu verpflichtet werden soll, sich gegen bestimmte Krankheiten zu impfen, wird nicht erst im Zuge der Corona-Pandemie zum ersten Mal diskutiert. In den vergangenen Jahren entbrannte ob der steigenden Masern-Infektionszahlen etwa eine heftige Debatte darüber, ob hier Gegenmaßnahmen vonnöten seien. Von einer Verpflichtung wurde seitens der Politik jedoch immer Abstand genommen. Das lässt sich vermutlich nicht ausschließlich auf politische Überzeugungen zurückführen: Denn Impfungen sind verhältnismäßig unbeliebt – und die Diskussion über eine Verpflichtung wird stets sehr emotional geführt. Auch jetzt sagen laut einer aktuellen Umfrage von Peter Hajek nur 17 Prozent, dass sie sich "ganz sicher" gegen Covid-19 impfen lassen würden, 29 Prozent hingegen sind sich ebenso sicher, dies nicht zu tun.

Die Bundesregierung hat in dieser Frage bisher stets abgewunken. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte schon im September, er sehe eine Impfpflicht "grundsätzlich" – nicht nur momentan – skeptisch, die werde es nicht geben. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) preschte in dieser Frage hingegen vor, und auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) kann sich eine Pflicht vorstellen.

Frage: Worüber reden wir eigentlich genau, wenn wir von Impfpflicht sprechen?

Antwort: Viele stellen sich unter dem Begriff Impfpflicht eine vom Staat angedrohte Zwangsinjektion durch einen Arzt vor. Von dieser Diskussion sind wir aber eigentlich weit entfernt. Tatsächlich kann eine Impfpflicht verschiedene Formen annehmen und sich auch nur auf bestimmte Bereiche oder Personengruppen erstrecken.

Frage: Wie könnte das in der Praxis aussehen?

Antwort: Eine Möglichkeit wäre eine tatsächliche Impfpflicht, die etwa festlegt, dass eine Verwaltungsstrafe zu zahlen ist, wenn man ihr nicht nachkommt. Denkbar wäre auch, so sagt der Medizinjurist Karl Stöger, eine Koppelung an Sozialleistungen, solange dadurch keine lebensnotwendigen Leistungen entzogen würden. "Aber man könnte etwa sagen, das freiwillige Kindergartenjahr gibt es nur noch für geimpfte Kinder", sagt Stöger. All das sei aber nur dann möglich, wenn genug Impfstoff für alle da ist und es Ausnahmen für Personen gibt, die den Impfstoff nicht vertragen.

Die zweite Möglichkeit wäre eine indirekte Impfpflicht, also beispielsweise eine Regelung, dass das Impfen zwar abgelehnt werden kann, aber dann manche Bereiche der Gesellschaft nicht mehr zugänglich sind, etwa ein Stadion. Stöger plädiert – wenn denn der politische Wille zu einer Impfpflicht da wäre – zur ersteren Variante, auch weil diese einfacher vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden könnte. Verkompliziert wird all das allerdings dadurch, dass derzeit nicht klar ist, ob eine Impfung nur vor der eigenen Erkrankung oder auch vor der Ansteckung anderer schützt.

Frage: Könnte es umgekehrt sogar so sein, dass der Staat verpflichtet ist, eine Impfpflicht einzuführen?

Antwort: Das wäre dann der Fall, "wenn man anders nicht mehr zum Ziel gelangt", sagt Stöger. Heißt also: Je mehr sich freiwillig impfen lassen, desto weniger ist der Staat gefordert, eine Impfung zur Pflicht zu machen.

Frage: Wäre eine Pflicht ethisch vertretbar?

Antwort: Eine wichtige Instanz bei der aktuellen Diskussion stellt die Bioethikkommission dar, das offizielle Beratungsgremium des Bundeskanzleramts. Diese spricht sich, solange keine "absolute Notstandssituation eintritt", gegen eine allgemeine Impfpflicht bei Covid-19 aus. "Und zwar aus dem Grund, dass die Impfung noch sehr neu ist und wir noch nicht alle Langzeitfolgen kennen", sagt die Vorsitzende Christiane Druml. "Wiewohl wir aber davon ausgehen, dass jede Impfung, die in der EU zugelassen wird, den Qualitätsstandards entspricht."

Frage: Welche Berufsgruppen könnte das betreffen?

Antwort: Schon jetzt heißt es im Epidemiegesetz: "Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen" kann durch die zuständigen Gesundheitsbehörden eine Impfung angeordnet werden. Zum Beispiel besteht laut Silvia Hruška-Frank von der Arbeiterkammer in der Steiermark eine de facto Masernimpfpflicht für Krankenhauspersonal. Personen, die die Impfungen nicht haben, werden auf Posten ohne Patientenkontakt versetzt. Angesichts der Unklarheiten, ob eine Covid-Impfung nur vor Erkrankung oder auch vor Übertragung schütze, sei eine arbeitsrechtliche Verpflichtung derzeit grundsätzlich auszuschließen, sagt Hruška-Frank. Und: Für alle Berufsgruppen gilt, ohne behördliche Verpflichtung zu einer Impfung gibt es auch keine arbeitsrechtliche. Doch eine Kündigung sei aus arbeitsrechtlicher Sicht ohnehin jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich.

Nach Ansicht von Druml wäre es denkbar, eine Impfpflicht bei Gesundheitsberufen und körpernahen Dienstleistern, zumindest für die Dauer der Pandemie, einzuführen. "Wenn jemand nicht bereit ist, sich und dadurch die anderen zu schützen, dann soll er woanders eingesetzt werden, wo er nicht mit vulnerablen Personen zu tun hat", sagt Druml. Das gehe auch aus den vorhandenen Schutzpflichten der Trägerinstitutionen hervor.

Frage: Wie ist das bei bestimmten Tätigkeiten wie Einkaufen oder etwa beim Reisen?

Antwort: Was das Reisen angeht, so gilt jetzt schon in einzelnen Ländern eine Impfpflicht für die Einreise in ihr Land, etwa in Bezug auf Gelbfieber. Denkbar sei, so sagt Druml, auch ein Impfnachweis, um etwa in Hotels einchecken zu können. Oder wenn private Dienstleister wie etwa die Westbahn, die keine Monopolstellung hat, nur geimpfte Menschen in ihren Zügen befördern würde. Schon jetzt können private Unternehmen Bedingungen in ihren AGBs festschreiben. Eine private Airline könnte etwa sagen, sie befördere nur geimpfte Personen, sagt auch Jurist Stöger. Öffentliche Institutionen hätten da verschärfte Regeln, so könnte man etwa ein öffentliches Bad nicht einfach für Ungeimpfte sperren. Und selbst mit einer Gesetzesänderung wäre nicht alles möglich. So könnte etwa der Staat nicht sagen, man dürfe ungeimpft nicht mehr in den Supermarkt, sagt Stöger, das gelte etwa auch für die "Grundversorgung" im Bereich Mobilität, etwa für die ÖBB.

Frage: Und was ist mit Pflegeheimen, kann es sein, dass künftig nur noch geimpfte Besucher eingelassen werden dürfen?

Antwort: Ein privates Heim, so sagt Hruška-Frank von der Arbeiterkammer, könnte sich ebenfalls schon jetzt besondere Besuchsbedingungen in die Verträge schreiben. Bei öffentlichen Heimen sei fraglich, ob man "so weit in das Persönlichkeitsrecht des Besuchers eingreifen" könne.

Frage: Was bringt eine Impfung?

Antwort: Der Simulationsforscher Niki Popper hat berechnet, dass das Verimpfen von 200.000 Dosen Vakzin in einem ersten Schritt zu einer fünfprozentigen Verringerung der Hospitalisierungs- und Todeszahlen in Verbindung mit Covid-19 führen würde. Das Verimpfen von drei weiteren, größeren Chargen zu je 750.000 Dosen – also von insgesamt 2,5 Millionen Dosen – würde die Zahl Hospitalisierter und Versterbender dann bereits um 40 Prozent reduzieren. Die Berechnung stammt aus dem November – ob nach der für Ende Dezember erwarteten Zulassung von Vakzinen Lieferungen in dem hier zugrunde gelegten Ausmaß erfolgen werden, ist derzeit unklar. Ebenso ist noch unbekannt, ob es sich ausschließlich um Impfstoff handeln wird, der in zwei Teilimpfungen verabreicht werden muss, oder auch ein Vakzin dabei ist, bei dem eine einmalige Impfung ausreicht.

Frage: Und was, wenn die Impfung Nebenwirkungen hat?

Antwort: Für Schäden, die durch eine Pflichtimpfung entstehen, haftet der Staat, das ist im Impfschadengesetz festgelegt. Das umfasst etwa Arztkosten, im Falle des Todes sogar eine Waisen- bzw. Witwenrente. Das Gesetz gilt etwa auch für Grippeimpfungen, die ab 15. Oktober 2020 vorgenommen wurden. Und bei empfohlenen Impfungen – die Begutachtungsfrist für einen entsprechenden Verordnungsentwurf, in dem die Corona-Impfung ausdrücklich empfohlen wird, ging am 10. Dezember zu Ende.

Frage: Und wann geht’s mit der Impfung los?

Antwort: Im Jänner soll mit der Impfung von Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen sowie von Mitarbeitern in Gesundheitseinrichtungen mit hohem Expositionsrisiko begonnen werden. Mitte Jänner kommen das Gesundheitspersonal in Spitälern sowie Hochrisikogruppen dran. Von Februar bis April sollen Personen über 65 Jahren und jene in kritischer Infrastruktur geimpft werden. Ab dem zweiten Quartal 2021 ist die Allgemeinbevölkerung an der Reihe. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, Irene Brickner, 15.12.2020)