Vor den Augen einer Frau (Clara Liepsch) gehen am sogenannten Akademikerball die Rechten unter.

Schauspielhaus Wien

Eine junge Frau besucht den sogenannten Akademikerball in Wien und wird dort, in den Festsälen der Hofburg, einem mitten aus der feierlichen Stimmung heraus beginnenden und nicht mehr endenden Sterben ansichtig. In Am Ball. Wider erbliche Schwachsinnigkeit von Lydia Haider (mit Esther Straganz) geht die rechte Elite des Landes bei einer Splatterorgie zugrunde. Körper fallen auseinander, Gesichter lösen sich auf, Blut rinnt dick durch den Türspalt und tränkt das Schuhwerk.

Die 2019 im Verlag Redelsteiner Dahimène erschienene Erzählung hätte Anfang Dezember im Schauspielhaus Wien ihre Uraufführung gehabt. Der Lockdown hat dies verhindert. Während sich derzeit die Hoffnung auf eine Wiederöffnung der Theater im Jänner richtet, hat das Team um Regisseurin Evy Schubert eine filmische Inszenierung hergestellt, die ab heute an acht Abenden bis Ende Dezember auf Vimeo gestreamt wird (jeweils von 20 bis 24 Uhr, Zugangsdaten nach Ticketkauf).

Männerbündische Rituale

Die Beobachtungen der namenlosen und sich verschwörerisch an die Leser bzw. das Publikum richtenden Erzählerin sind in ihrer Mauerschauerhaftigkeit prädestiniert für die Bühne wie auch für eine filmische Darstellung. Die Besucherin bewegt sich von einen Festraum in den nächsten und schaut der Selbstauflösung einer im Herrenrassedenken gefangenen und sich in entsprechenden männerbündischen Ritualen feiernden Gesellschaft mit Staunen beim Sterben zu.

Regisseurin Schubert, die nun bei Am Ball. Der Film auch das Drehbuch verantwortet, verbindet in langen Kamerafahrten mehrere Räume miteinander, in welchen die Protagonistin (Clara Liepsch) in großer Robe zu uns spricht. Ein Hauch von Lisa Eckhart geht von der in ein schwarzes Krähenfederncape gekleideten und mit prophetischer Geste sprechenden Mimin aus. Das Wort "Geschichte" beispielsweise wölbt sich da wie ein langer unverdauter Brocken aus ihrem Mund und endet kurz vor dem Brechreiz mit der ausgestreckten Zunge. Es klingt dann wie "Geschichtäääh".

Großes Gemächt

Die soghafte Prosa entwickelt dank dieser lustvoll-feierlichen Artikulation noch mehr Zug. Die Szenen reichen vom leeren Ballsaal mit teilamputierten Schaufensterpuppen über dokumentarische Ballbilder bis zu Straßenszenen und auch einem Bühnenbild (von Maria Strauch) mit der überdimensionalen Plastik eines Gemächts. Hier schließt die Erzählerin gern den Männlichkeitskult der Burschenschafter mit der "festlichen Behängung" eines Chargierten im Vollwichs kurz.

Und weil der Witz nie zu kurz kommen darf, hat die Produktion bereits eine Pop-up-Politics-Seite, die ebenfalls erblicher Schwachsinnigkeit Einhalt gebieten möchte. Sie heißt www.ballaballa.solutions. (Margarete Affenzeller, 14.12.2020)