Die Auswahl an Gesichtsmasken ist groß, ein 30-Jähriger wollte dennoch keine tragen. Dass er im Zuge eines Polizeieinsatzes ausfällig und gewalttätig wurde, brachte ihn nun vor Gericht.

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Wien – "Was passiert ist, haben wir im Video gesehen", eröffnet Verteidiger Mirsad Musliu sein Plädoyer. "Mein Mandant hat leider mehr getrunken, als er gewohnt ist", schickt er noch voraus, warum der 30-jährige Ferid A. einer Polizistin den linken Ringfinger gebrochen hat. Besonders negativ daran für A.: Er hat seit 2011 bereits fünf Vorstrafen, zwei davon sind einschlägig. "Er ist ein Unruhiger, kein Schwerstkrimineller. Wenn man sich die Vorstrafen ansieht, sind das Geldstrafen und ein Monat hier, ein Monat da", wirbt Musliu daher schon zu Beginn bei Richter Harald Kaml um Verständnis.

Dass der bullige und muskulöse Angeklagte den Alkohol ausgerechnet in einem Lokal in Wien-Favoriten konsumiert hat, das den Behörden schon wegen dutzender Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz und die Corona-Maßnahmenverordnungen bekannt war, machte es nicht besser. Dass A. keinen Mund-Nasen-Schutz trug, als die Exekutive erschien, erst recht nicht.

Bier, Wodka und Jägermeister

"Es war der letzte Tag, dass sie offen hatten, da habe ich mehr als üblich getrunken", entschuldigt sich der geständige Angeklagte. "Wie viel?", fragt Richter Kaml. "Zu viel." – "Wie viel ist das?" – "Normalerweise trinke ich so ein Bier, zwei Bier, da war es leider mehr." – "Können Sie das näher schildern, damit man sich was vorstellen kann?" – "Wodka und Jägermeister, gemischt." – "Wie viel genau?" – "Na ja, drei bis vier Gläser Wodka und zwei bis drei Shots Jägermeister." – "Und Bier haben Sie auch getrunken?" – "Ja, davor. Drei bis vier Bier." – "Also eine feucht-fröhliche Veranstaltung."

Bis das Erscheinen der Uniformierten die Fröhlichkeit deutlich dämpfte. A. bedauert, sich nicht mehr an Details erinnern zu können. "Es war irgendwas wegen der Maske. Draußen bin ich ihnen blöd gekommen und habe nicht zugehört." – "Warum bitte?" – "Ich kann es nicht wirklich erklären." Das "blöd gekommen" war eher fäkallastig, wie Kaml präzisiert, indem er aus der Anklageschrift zitiert. A. brüllte damals: "Scheiß Polizisten!", "Ich scheiß auf das Gesetz!", "Gehts scheißen!" sowie "Ich will was zu trinken!"

Richter ohne Projektor

Da sich der Österreicher damals nicht beruhigte, sprachen die Polizisten die Festnahme aus. Hier setzt das von Musliu erwähnte Video ein. Der Richter würde es gerne vorspielen, allein, seine hausinterne Bestellung eines Laptops und eines Projektors wurde nicht erfüllt. Da aber alle Prozessbeteiligten wissen, dass auf der Aufnahme zu sehen ist, wie A. Abteilungsinspektorin B. einen Schlag verpasste, der ihr den linken Ringfinger brach, einen zweiten Beamten zu Boden riss und in dessen Richtung trat, wird auf die Vorführung verzichtet.

Kaml interessiert auch, wie es mit dem Angeklagten nun weitergehen soll. Sein Verteidiger kann eine Einstellungszusage ab 1. Februar präsentieren. Außerdem ist A. mittlerweile von Wien-Floridsdorf nach Niederösterreich zu seiner Familie gezogen. "Warum passiert Ihnen so was denn immer wieder?", erkundigt sich der Richter. "Pech und Alkohol", bedauert der Angeklagte. "War bei Ihren Vorstrafen immer Alkohol dabei?" – "Nein, bei manchen war ich jung und blöd."

2.350 Euro für verletzte Polizistin

Der Anwalt der Polizistin einigt sich mit dem Verteidiger auf ein Schmerzensgeld und sonstige Kosten von 2.350 Euro, die Musliu der Beamtin, die sechs Wochen im Krankenstand war, gleich im Saal übergibt. In seinen Schlussworten merkt der Rechtsvertreter noch an: "Die Sache hat A. viel gekostet. Er hat deshalb schon 1.000 Euro Verwaltungsstrafen bekommen, und ein paar sind noch offen", bittet er um ein mildes Urteil.

Das fällt Kaml. Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre Haft entscheidet sich der Richter für zwei Jahre bedingt. A. habe vor Gericht einen guten Eindruck hinterlassen. "Beim nächsten Mal, das kann ich Ihnen garantieren, werden Sie länger in Haft kommen. Heute sind Sie gerade noch an einer Gefängnisstrafe vorbeigeschrammt", mahnt er den Angeklagten noch. Da die Staatsanwältin keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 15.12.2020)