Die protoplanetare Scheibe um den Babystern TW Hydrae in einer künstlerischen Darstellung. Forscher haben nun erstmals Wechselwirkungen direkt beobachten können.
Illustration: NASA/JPL-Caltech

Wenn Sterne in unserer Galaxie geboren werden, beginnt alles mit einer Molekülwolke aus Gas und Staub, die unter ihrer eigenen Schwerkraft zu einem Protostern zusammenstürzt. Dieser als Akkretion bezeichnete Entstehungsprozess verläuft durch und um eine Scheibe, die sich um den neuen Stern herum bildet. Über diese Scheibe wird der wachsende Protostern weiter mit Materie versorgt. Nach welchen Mechanismen genau ein Stern mit seiner Mutterscheibe wechselwirkt, ist nach wie vor unklar und Gegenstand zahlreicher Hypothesen noch.

Nun hat ein internationales Forscherteam erstmals direkt beobachtet, wie Materiewolken mit einem jungen Stern interagieren. Mit anderen Worten: Sie wurden Zeugen eines stellaren Geburtsvorganges. Das Sternensystem TW Hydrae liegt etwa 163 Lichtjahre von der Erde entfernt und wurde mithilfe des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) und seinem Instrument GRAVITY der Europäischen Südsternwarte ESO in der chilenischen Wüste anvisiert.

Ein Meter großer Kasten auf der Mondoberfläche

Die Beziehung zwischen einem Babystern und der zirkumstellaren Materiescheibe konnte bisher noch nie unmittelbar mit einem Teleskop beobachtet und nachgewiesen werden. Hautsächlich scheiterte es an der Genauigkeit der Bilder aus dem All. "Der Nachweis dieser Ereignisse während der Sternenentstehung wäre so, als ob man einen ein Meter großen Kasten auf der Mondoberfläche ausmachen würde. Mit einem normalen Teleskop ist das nicht möglich", erklärt Lucas Labadie von der Universität zu Köln.

Hier ist TW Hydrae und die den Stern umgebende Scheibe auf einer Aufnahme des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) zu sehen. Die kreisförmigen Lücken weisen auf Planetengeburten hin.
Foto: S. Andrews (Harvard-Smithsonian CfA), ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)

Mithilfe des Interferometers des VLT in Chile und seinem Instrument GRAVITY, das eine noch nie dagewesene Winkelauflösung ermöglicht, ist eine solch präzise Beobachtung nun aber möglich geworden, so Labadie: "Das Interferometer sammelt und kombiniert das Licht von verschiedenen Teleskopen, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt sind, und bietet damit die gleiche Genauigkeit wie ein hypothetisches Riesenteleskop mit vergleichbarem Durchmesser."

Baby-Version unserer Sonne

Astrophysiker mehrerer europäischer Institutionen nutzten das GRAVITY-Instrument, um die Region um das junge System von TW Hydrae genauer zu untersuchen. TW Hydrae gilt als das ähnlichste Beispiel dafür, wie unsere Sonne zur Zeit ihrer Entstehung vor mehr als fünf Milliarden Jahren ausgesehen haben mag. Durch sehr genaue Messungen hat das Forschungsteam nun direkt nachgewiesen, dass die Emission von heißem Gas tatsächlich Ergebnis der magnetosphärischen Akkretion ist, die sehr nahe an der Sternoberfläche stattfindet. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Nature" veröffentlicht.

"Das ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Bestreben, die Mechanismen nachzuweisen, die bei der Sternentstehung am Werk sein müssen", sagt Labadie. "Wir wollen diese Forschungsmethode nun auf andere junge Sterne ausdehnen, um zu verstehen, wie die Entwicklung der Mutterscheibe – dem Geburtsort der Planeten – verläuft." (tberg, red, 25.12.2020)